Vom Verkauf der eigenen Großmutter

Das Bankgeheimnis muss mindestens bis in den Herbst hinein gerettet werden. SPÖ und ÖVP benötigen es schließlich für den Wahlkampf.

Die österreichische Innenpolitik kennt nur noch eine Gesetzmäßigkeit: Es geht nicht darum, was eine bestimmte Politik bewirkt, sondern nur, wie sie wirkt.

Positionen werden nicht aus Überzeugung oder inhaltlichen Gründen bezogen, sondern, um Prozentpunkte in Umfragen zu sammeln. In der Debatte zum Bankgeheimnis in Österreich und der EU lässt sich dieser situative Populismus gut festmachen; Verwahrlosung nennt das Ex-Kommissar Franz Fischler. Die Fragestellung war für die parteiinternen Meinungsforscher in den Kabinetten der Chefs von SPÖ und ÖVP schwierig. Was kommt bei den Wählern besser an: gegen Steueroasen, Steuersünder und andere Inselbösewichte lautstark Stimmung zu machen und sich vom Bankgeheimnis zu verabschieden? Oder doch lieber den Kreuzritter für Sparbücher, Privatsphäre und das Restbankgeheimnis zu geben? Die internen Debatten brachten kein eindeutiges Ergebnis, daher entschieden sich die Spitzen beider Regierungsparteien – unabhängig voneinander, aber im Geiste einig – für beides. Das funktionierte fast: In mehreren Tageszeitungen erscheinen unterschiedliche Interpretationen von Aussagen des Kanzlers – kein Ruhmesblatt für den Journalismus, nebenbei bemerkt. Jeder von uns hörte vielleicht das, was sie oder er gern hören wollte: „Kanzler will Auflockerung des Bankgeheimnisses“, hieß es in den Zeitungen. „Kanzler verteidigt Bankgeheimnis“, in den anderen. Werner Faymann gelang es, die von der Arbeiterkammer vorgegebene Verteidigung des Sparbuchs der Großmutter anzubringen. Die des Sparbuchs, die Großmutter steht frei zum Verkauf.

Aber da er schon dabei war, holte er gleich die ÖVP ins Boot: Auch Maria Fekter und Michael Spindelegger übten den Spagat. Die Finanzministerin, alte Kennerin der „Krone“-Bedürfnisse, setzte eins drauf: England sei die Insel der seligen Steuerhinterzieher, hatte sie der „Presse“ erklärt, bevor sie ins Flugzeug zum Treffen der Finanzminister in Irland stieg. In Dublin bringt subtile Briten-Kritik mitunter ein Guinness im nächsten Pub. Faymann musste natürlich reagieren und die Debattenoberhoheit wiederherstellen: Er verbitte sich Kritik, Drohungen und Champagner aus Paris. Dort meint man, dass die Position Österreichs nicht haltbar sei. (Was ebenso stimmt wie Fekters Kritik am Vereinigten Königreich. Allerdings sind Geldwäscheinstitutionen wie die Virgin Islands dank weitgehender Unabhängigkeit rechtlich von London aus schwer auszuhebeln.)

Wenn man sich schon durchwursteln will, sollte man es professionell angehen. Luxemburgs gewiefter Claude Juncker geht es umgekehrt an: Luxemburg setze sich an die Spitze der Steueroasentransparenz, ließ er mittels vor der Debatte geführter Interviews verbreiten. Im Hintergrund kämpft der gute Mann mit voller Kraft dafür, das diskrete Geschäft der Banken zu schützen. Ablenkung davon garantieren Österreichs Elefanten im Tresorraum.

In der Sache selbst muss differenziert und scharf getrennt werden: Steueroasen wie die Schweiz oder – etwa wenn es um die Höhe der Körperschaftsteuer geht – Österreich sind schützenswert. Nur der Wettbewerb um Kapital durch die Höhe der Steuern, damit um Unternehmen und um Arbeitsplätze bringt Reformen und den notwendigen Druck auf progressive Veränderungen in Ländern. Eine Steuerharmonisierung, die in vielen Ländern Europas natürlich zu einer Steuererhöhung führen würde, wäre die endgültige Entscheidung für den Abstieg Europas. Dass Banken aber angehalten werden, den Ursprung veranlagter Mittel zu hinterfragen und – wie es ohnehin häufig passiert – dazugehörige Daten den Behörden zu übergeben, sollte auch klar sein. Ja, das bedeutet ein noch einmal verkleinertes Bankgeheimnis.

In der Empörung über die Steuerhinterzieher einerseits und die EU-Strenge andererseits ist eine Meldung vergangene Woche untergegangen: Nicht wenige österreichische Landwirte müssen ein paar Millionen Euro zurückzahlen, weil sie sich bei Förderanträgen vermessen hätten. Sie haben Almen falsch und zu ihrem Vorteil berechnet.

Über diesen systematischen Betrug mit politischer Deckung erregt sich kein Mensch. Eine Verwahrlosung.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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