Chinesische Außenpolitik mit dem Rohrstaberl

Der harte Kurs Pekings gegenüber den Nachbarstaaten, aber auch gegenüber Europäern, die Kontakt zum Dalai-Lama haben, ist vor allem eines: kontraproduktiv.

Es gibt niemanden, der den Erfolgen der Volksrepublik China seit der Öffnungspolitik nicht höchsten Respekt zollen würde; der anerkennt, wie historisch einzigartig sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich entwickelt und wie es damit hunderte Millionen Menschen aus tiefster Armut geholt und zu wohlhabenden Mittelständlern gemacht hat. Reden wir einmal nicht sogleich davon, dass diese gewaltigen Leistungen auch ihre enormen Schattenseiten haben. China und seine Menschen haben allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein. Aber das berechtigt die Führung in Peking noch lang nicht dazu, zu glauben, dass China in der internationalen Staatengemeinschaft jetzt den Rowdy spielen darf.

Es ist doch so, dass es sich die Volksrepublik in den vergangenen Jahren mit einer machohaften Außenpolitik mit so gut wie allen Nachbarn verscherzt hat und mit einer kontinuierlichen Aufrüstung vor allem zur See für wachsende Besorgnis im pazifischen Raum sorgt – und nicht nur dort. Freilich, ein Holz gibt kein Kreuz, und gerade Japan trägt durch seine blasierte Vergangenheitspolitik selbst genug zu den Spannungen in der Region bei. Aber auch Südkorea, die Philippinen, Vietnam, Taiwan sowieso, sind durch das ständige Pekinger Muskelprotzen verschreckt und suchen als Gegenmittel die größere Nähe zu den USA. Die reagieren darauf verständlicherweise erfreut.

Peking betreibt also eine kontraproduktive Außenpolitik. Denn eine Stärkung der amerikanischen Position in Ost- und Südostasien liegt bestimmt nicht in seinem Interesse. Die harte außenpolitische Richtung wird dabei vor allem von den diversen Sicherheitsministerien vorgegeben und forciert. Aber auch das chinesische Außenministerium trägt diesen Kurs offenkundig bereitwillig mit, obwohl es die Konsequenzen eigentlich am besten kennen müsste.

Seit gut einem Jahr nun fuchtelt der chinesische Lehrmeister auch vor Briten und Österreichern mit dem Rohrstaberl herum. Grund: Die Regierungschefs der beiden Länder und ihre Vize haben es gewagt, mit dem Dalai-Lama, dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, bei inoffiziellen Treffen Gespräche zu führen. Schon vor etlichen Jahren löste die Kontaktaufnahme eines österreichischen Regierungsvertreters mit dem Dalai-Lama bei einem chinesischen Botschafter einen derartigen Wutanfall aus, dass man ihn auf dem ganzen Ballhausplatz hören konnte. Aber damit war die Sache damals gelöst. Sukzessive hat Peking in den vergangenen Jahren die Strafen für „unerlaubte“ Dalai-Lama-Begegnungen westlicher Politiker verschärft; US-Präsidenten ausgenommen, da traut man sich dann doch nicht so recht.

Ob die Überempfindlichkeit des Pekinger KP-Regimes sogar die Pandabären in Schönbrunn zu spüren bekommen werden, ist noch ungewiss. Schmerzlicher wäre bestimmt, wenn die Wirtschaftsbeziehungen zurückgestuft würden. Dennoch wäre es mehr als nur abstrus, wenn künftig die Regierung in Peking vorschreiben kann, mit wem sich ein österreichischer Bundeskanzler oder Vizekanzler offiziell oder inoffiziell zusammensetzen darf und mit wem nicht. Schließlich hatte Österreich nie Kolonien in Übersee – und sollte auch niemals zu einer Kolonie, welcher fremden Macht auch immer, werden.

Das Kernproblem dieser ganzen Angelegenheit bleibt, dass Peking einfach sein Tibet-Problem nicht in den Griff bekommt. Mittlerweile sind es schon an die 120 tibetische Frauen und Männer, die sich seit fünf Jahren aus Protest selbst verbrannt haben. Peking weiß auf diese Verzweiflungsakte keine andere Antwort, als die Sicherheitsvorkehrungen in den Provinzen, in denen Tibeter wohnen, zu verschärfen. Das heißt nur noch mehr Polizisten, Soldaten und Geheimdienstler gegen Angehörige einer Minderheit, denen es in erster Linie um Wahrung und Schutz ihrer Sprache, Kultur und Religion geht, also um ihre Identität.

Es ist unbestreitbar, dass Peking sehr viele Ressourcen nach Tibet gepumpt hat und weiter pumpt. Aber allein mit Geld und Infrastruktur, das müssten die Chinesen inzwischen wissen, gewinnt man die Tibeter nicht. Genauso wenig, wie man sich als Raubein in der zivilisierten Welt beliebt macht.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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