Hochkonjunktur für unbezahlte Wahlgeschenke

Es ist geschehen, was viele befürchtet haben: Die Regierung nimmt die Alpine-Pleite zum Anlass, um Unsummen in fragwürdige Konjunkturpakete zu stecken.

Manchmal ist man richtig froh darüber, wenn einen Politiker für dumm verkaufen und am Ende ihrer großspurigen Ankündigungen doch nur realpolitische Schmalspurbahnen auf die Reise geschickt werden. So verhält es sich nämlich auch mit dem gestern geschnürten Konjunkturpaket. Und das ist gut so.

Von gut kann natürlich keine Rede sein. Es ist vielmehr nur halb so schlimm. Denn von den 1,5 Milliarden Euro, die bis 2017 zur Belebung in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden, waren 700 Millionen ohnehin längst akkordiert und verplant. Das sogenannte Wohnbaupaket hat Infrastrukturministerin Doris Bures schon vor Wochen für sich verbucht. Jetzt darf es halt noch einmal herhalten. Dasselbe gilt für die Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Die wurden erst vorige Woche im Zuge des Familienpakets vorgeschlagen und finden sich prompt auch diesmal wieder auf der To-do-Liste der Regierung.

Die restlichen 800 Millionen Euro werden tatsächlich frisch geerntet, erhöhen tatsächlich den Schuldenberg der Republik und landen vermutlich in Bauprojekten, die aus gutem Grund bisher nicht in Angriff genommen wurden. Das ist die schlechte Nachricht.

Seit Jahrzehnten fällt Politikern beim Thema Konjunkturbelebung offenbar nichts Besseres ein, als Milliarden in die Bauwirtschaft zu stecken. Davon profitierten vor allem die großen Konzerne. Die wurden größer und fetter. Nicht weil sie wettbewerbsfähiger waren als die Konkurrenz. Sie hatten einfach die besseren „Zugänge“ bei öffentlichen Ausschreibungen. Und wie wurde die heimische Bauindustrie künstlich aufgepäppelt? Auf Kosten der Steuerzahler natürlich. Als der Staat dann doch – wenn auch sehr verhalten – auf die Kostenbremse stieg, kamen viele Baukonzerne ins Schleudern. Die Alpine baute einen Totalschaden.

Wenn der Arbeiterkammer-Präsident also im Fernsehen erzählt, dass das Österreich-Geschäft der Alpine ohnehin gut gegangen sei, die Probleme vielmehr in Südosteuropa und Spanien zu suchen seien, dann ist das nur eine sehr selektive Wahrnehmung. Denn mit welch ruinösen Methoden sich die Alpine in den vergangenen Jahren in Österreich auf dem Markt gehalten hat, wissen Branchenkenner ohnehin schon lange und weiß mittlerweile auch der Masseverwalter. Mit Dumpingpreisen, die sich wirtschaftlich nie und nimmer rechnen konnten, sicherte sich der Konzern viele Aufträge. Zum Teil lagen die Angebote um 25 Prozent unter jenen der Konkurrenten. Um diesen Preis will nun keiner die Baustellen übernehmen.

Und wer mit offenen Augen durchs Land fährt, der findet heute die Firmentafeln von Alpine, Strabag und Porr dort, wo früher die Schilder der regionalen Baumeister hingen. Die Bauindustrie baut mittlerweile nicht nur Autobahnen, Hauptbahnhöfe und Eisenbahntunnels, sondern auch Einfamilienhäuser. Wie viele kleine Baumeister und Kleinbetriebe im Baunebengewerbe auf der Strecke geblieben sind, hat keiner gezählt. Für die wurden keine Konjunkturpakete geschnürt.


Arbeitslosigkeit ist eine menschliche Tragödie, ohne Zweifel. Und wäre die Alpine eine Bank gewesen, wäre sie too big to fail, also systemrelevant. Aber die politischen Verfehlungen der Vergangenheit dürfen kein Argument für eine neuerliche Geldvernichtung sein.

Was in der Baubranche heute passiert, ist eine Markt- und vor allem eine Strukturbereinigung. Es hätte die Stunde der Klein- und Mittelbetriebe sein können, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Es hätte also Hoffnung bestanden, dass der Markt, wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt, wieder zu so etwas wie Normalität zurückkehrt.

Diese Hoffnung schwindet nun. Der Staat besinnt sich wieder einmal der alten, selten funktionierenden Methode und steckt Unsummen in die Bauwirtschaft. Das Geld werden sich jene Großkonzerne abholen, die gut im Abholen sind – die die besten „Zugänge“ haben.

Wieder wird künstlich aufgepäppelt. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Totalschaden eintritt. Dann hoffentlich nicht unmittelbar vor Nationalratswahlen.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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