Die OMV steht auf der Leitung

Das Pipeline-Projekt Nabucco ist gestorben, weil sich die Betreiber mehr mit politischer Intervention als mit wirtschaftlicher Kalkulation beschäftigt haben.

Jetzt ist Nabucco also endgültig tot. Das Prestigeprojekt der OMV, an dem der österreichische Mineralölkonzern seit mehr als zehn Jahren bastelt, ist gescheitert. Und zwar mit Pauken und Trompeten. Die OMV hat nicht nur Zeit, sondern auch Geld in das 1300 Kilometer lange Gaspipeline-Projekt gesteckt. Doch viel schlimmer als der finanzielle ist wohl der Imageschaden. Für die OMV platzt damit der Traum, auf der internationalen Bühne mit den ganz großen Playern mitzuspielen.

Und Österreich wird auf der geopolitischen Landkarte wieder zusammengestutzt. Der Standort Baumgarten im Weinviertel wird nicht die große Gasdrehscheibe. Er könnte sogar an Bedeutung verlieren. Denn derzeit fließt durch eine alte, ziemlich marode Gasleitung russisches Gas – bekanntlich über die Ukraine – zu uns. Geplant war ja nicht nur, dass die Nabucco-Pipeline in Österreich ankommt, sondern auch die von der russischen Gazprom forcierte South-Stream-Leitung. Doch die soll nun nicht im Weinviertel, sondern im italienischen Tarvis landen. Und wenn die South Stream tatsächlich verwirklicht wird, was alles andere als gewiss ist, dann kommt auf Österreich der nächste Rückschlag zu. Dann könnte es nämlich passieren, dass die Russen nicht mehr so viel Gas durch die Ukraine schicken. Statt Vollgas aus drei Pipelines wird dann aus der bestehenden alten Leitung weniger Gas fließen als heute. Zugegeben, das sind Szenarien. Aber sie erwecken nicht den Eindruck, dass die Versorgungssicherheit Österreichs langfristig gewährleistet ist.

Denn auch wenn derzeit alle von der sogenannten Energiewende sprechen: Bei aller Liebe zu Fotovoltaik und Windenergie, an Gas und Erdöl führt auch künftig kein Weg vorbei. Im Gegenteil: Deutschlands Abkehr von der Atomenergie wird sogar noch mehr Gaslieferungen erfordern. Auch aus Gründen des Klimaschutzes. Denn aktuell führt der aus dem Ruder gelaufene CO2-Handel zu der anachronistischen Situation, dass sich Kohlekraftwerke wieder rechnen. Noch nie wurde so viel Strom in derartigen Dreckschleudern erzeugt wie dieser Tage.

Zurück zu Nabucco: Der Plan war gut, die Umsetzung miserabel. Und diese zum Teil dilettantische Umsetzung muss man der OMV und dem Nabucco-Konsortium sehr wohl ankreiden. Sich von der Abhängigkeit Russlands zu befreien, war und ist ein Gebot der Stunde. Und auch wenn rund um die Kaspische See nicht gerade lupenreine Demokraten auf gigantischen Gasfeldern sitzen, so ist es doch besser, man ist von mehreren statt von einem Despoten abhängig.

Doch die Nabucco-Betreiber hielten viel zu lange an ihren ursprünglichen Plänen fest, Gas auch aus Turkmenistan durch die Kaspische See zu pumpen. Viel zu lange erkannten die Betreiber nicht, dass dieses Vorhaben unrealistisch war. Vor allem Aserbaidschan hat kein Interesse, dass auch vom großen Konkurrenten aus Turkmenistan Gas nach Europa fließt.


Doch der größte Fehler war, dass aus einer rein ökonomischen Unternehmung zusehends ein EU-politisches Prestigeprojekt wurde. Und das war wohl einer der Hauptgründe, warum es letztendlich scheiterte. Wie man mit Potentaten verhandelt, hat China vorgemacht. Menschenrechte sind kein Thema, nur Bares ist Wahres. Und so schnell konnten die Europäer nicht schauen, hatten sich die Chinesen in Turkmenistan eingekauft.

Als es hinter vorgehaltener Hand in Brüssel hieß, dass man auch mit der Trans Adriatic Pipeline (TAP) leben kann, die über die Türkei, Albanien durchs Mittelmeer nach Süditalien führen wird, war ziemlich klar: Nabucco ist Geschichte. Noch dazu führt die TAP durch Griechenland und sichert dem maroden EU-Land nicht nur eine Energie-, sondern vor allem eine mehr als willkommene Einnahmequelle.

Gewonnen hat das günstigere, effizientere und schneller umsetzbare Projekt. Das ist bei allem Hader über eine vertane Chance für Österreich am Ende die gute Nachricht. Wirtschaftliche Kalkulation setzte sich gegen politische Intervention durch. Aber vermutlich ist dieses Resümee fast zu schön, um wahr zu sein.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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