Von wegen neutral, von wegen Kontrolle

Österreich ließ sich eine Lauschstation von den USA finanzieren. Der HNA liefert heute weiter der NSA zu. So als gäbe es weder Neutralität noch die Politik.

Nicht dass es noch eines Beweises bedurft hätte, aber in dieser Deutlichkeit wird die österreichische Neutralitätslüge selten offengelegt: Im Verteidigungsministerium räumt man offiziell ein, dass die sogenannte Königswarte, eine technisch gut ausgestattete Abhöranlage bei Hainburg nahe der Grenze, im Kalten Krieg mit finanzieller Unterstützung der USA betrieben worden sei. Ob heute die USA noch die Ausrüstung liefern, weiß man in der Rossauer Kaserne leider nicht so genau. Nur eines dürfte klar sein: Die Daten, die die Königswarte bringt, gehen an die „befreundeten“ Nachrichtendienste, also etwa an die NSA und ihre britischen Verbündeten. Vielleicht müssen sie dafür nicht einmal mehr mitzahlen.

Nachdem bekannt wurde, dass die US-Freunde auch in Österreich spähen und lauschen, ist dieser Tage viel vom zerrütteten Vertrauen die Rede. Dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner jemandem außerhalb St. Pöltens vertrauen könnte, war zwar bisher ebenso wenig denkbar wie die Vorstellung, die Innenministerin könnte etwas zerrütten. Aber für die Öffentlichkeit muss man wohl Betroffenheit simulieren.

Denn Mikl-Leitner und die gesamte Bundesregierung wissen wohl genau: Österreich kooperiert mit dem US-Nachrichtendienst genauso, wie es auch die nicht neutralen Nato-Mitgliedstaaten tun. Nach dem 11. September wurde da an die alte Kalte-Krieg-Tradition angeknüpft, seither werden Daten geliefert, wenn verlangt. Beim Verfassungsschutz kooperiert man auch.

In erster Linie ist es vor allem der Heeresnachrichtendienst, über den die Verbindung mit den Datensammlern von der NSA läuft. Interessanterweise weigert sich der neue Verteidigungsminister Gerald Klug auch im zuständigen Ausschuss – dessen Mitglieder sind der Geheimhaltung über jedwede Details verpflichtet –, Auskunft über Umfang oder Gestalt des Assistenzeinsatzes für die NSA zu geben. Im Gegensatz dazu steht das Bundesamt für Verfassungsschutz unter dieser ohnehin nur informativen Variante der Kontrolle. Was der HNA macht und tut, wissen nur dessen Mitarbeiter und vielleicht der Minister. Das ist in einem kleinen Rechtsstaat ein sonderbarer Zustand, der schleunigst beendet werden sollte. Vielleicht hat Bundespräsident Heinz Fischer ja eine Meinung dazu.

Herr Klug, der sich so gern in der heroischen Pose als Ringer inszeniert, zeigt hier eine neue Seite: Schnoddrig auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung zu verweisen passt zum Kalten-Krieg-Spiel. Aber 2013 verwundert das durchaus. Es zeugt auch von interessanten parteipolitischen Winkelzügen: Dass Klug eine Geheimdienstbeziehung nicht öffentlich macht, die maßgeblich in den Jahren der Regierung Wolfgang Schüssel geprägt wurde – die Terroranschläge Bin Ladens hatten gerade die Welt erschüttert –, spricht dafür, dass er kein parteipolitisches Kleingeld wechseln will. Oder aber, dass er sich und seinen glücklosen Vorgänger Norbert Darabos schützen will, der ebenfalls davon gewusst haben müsste.

Chuzpe nennt man wohl die Taktik der ÖVP: Das alles sei ein Problem Klugs und der SPÖ. Günther Platter? War vermutlich schon immer Tiroler Landeshauptmann und nie österreichischer Verteidigungsminister. Ja, selbst Bundeskanzler Werner Faymann spielt ein sonderbares Spiel: Das alles sei Sache des populären Verteidigungsministers. Da muss einer viel Mühseligkeit schultern.

Um hier nicht den üblichen naiven Free-the-World-Ideen zu verfallen: Ohne US-Geheimdienst und auch ohne Datenstaubsauger NSA wären manche Terroranschläge – gerade auch in Europa – wohl verübt worden. Das gilt es gegen die Totaldokumentation privater und beruflicher Kommunikation und Daten abzuwägen.

Wer glaubt noch daran, mittels höflicher Beobachtung durch Streifenpolizisten Bedrohungen Herr zu werden? Die österreichische Vogel-Strauß-Sicherheitspolitik, das Problem zu beseitigen, indem man es einfach leugnet, wird nicht länger funktionieren.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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