Hausarzt-Romantik bringt keine Heilung

HausarztRomantik bringt keine Heilung
HausarztRomantik bringt keine Heilung(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
  • Drucken

Die Nebenwirkungen der heimischen Gesundheitspolitik: Wenn es um das Verteilen der Milliarden geht, kommt der niedergelassene praktische Arzt zuletzt.

Es ist bezeichnend für das österreichische Gesundheitswesen: Bundes- und Landespolitiker sind gegen Ende dieser Legislaturperiode schon erleichtert darüber, dass alle einmal an einem Strang ziehen. Bis 2016 soll auf diese Weise die Steigerung der Kosten im Gesundheitsbereich niedriger als vorgesehen ausfallen. Schon auf den zweiten Blick fällt jedoch auf, dass dafür eine ganz entscheidende Voraussetzung fehlt. Denn während die Politiker und Sozialversicherungschefs wieder einmal von der Umleitung der Patientenströme weg von den – teureren – Spitälern hin zu den Hausärzten fantasieren, geht die Zahl der niedergelassenen praktischen Ärzte insgesamt beständig zurück, wie Daten, die der „Presse“ vorliegen, anschaulich zeigen.

Menschen, die in Ballungsgebieten wie etwa im Großraum Wien wohnen, mag diese Entwicklung gar nicht bewusst sein. Aber Bürger und Patienten, die in ländlicheren Gegenden daheim sind, sehen dem Pensionsdatum ihres Gemeindearztes mit Sorge entgegen und fragen sich, ob sich jemand für diese Stelle finden wird.

Das liegt auch an teils überholten Vorstellungen von diesem Beruf, die bei (angehenden) Medizinern wie bei Patienten vorhanden sind. Denn ein Hausarzt ist nicht mehr wie anno dazumal jedes Wochenende „im Dienst“, wenn es eine vernünftige Einteilung mit anderen Kollegen in seinem Sprengel gibt. Im Gegenteil: So mancher Arzt lernt es angesichts überlanger Dienste in Krankenhäusern zu schätzen, Chef seiner eigenen Praxis zu sein, in der er die Ordinationszeiten festlegen kann.


Die Patienten werden sich freilich ebenfalls davon verabschieden müssen, dass der Hausarzt rund um die Uhr persönlich bei jedem Wehwehchen für sie verfügbar ist. Gerade in Großstädten sollte umgekehrt jemand mit hohem Fieber erwarten dürfen, dass die Ordinationszeiten allgemein so sind, dass der Patient am Abend oder am Wochenende nicht schnurstracks zur Klärung in eine Spitalsambulanz muss.

Die mangelnde Attraktivität einer Existenz als Hausarzt hängt vor allem auch damit zusammen, dass diese Ärzte vielfach zum Sammeln möglichst vieler E-Cards von Versicherten verdammt sind – und sie dennoch mit den Einkommen der Spitalsärzte nicht mithalten können. Damit sind wir wieder beim Geld: Da waren in der Vergangenheit trotz aller Hausarzt-Romantik der Politiker für den Spitalsbereich immer noch mehr Mittel als für niedergelassene Allgemeinmediziner da. Für diese ist jedes wirklich längere Gespräch mit Patienten rein ökonomisch betrachtet eigentlich ein „Verlustgeschäft“ (auch wenn ein solch intensives Gespräch zur Gesundung mitunter mehr beiträgt als mehrere rasch verschriebene Medikamente).


Es passt ins Bild des hiesigen Gesundheitswesens, dass ausgerechnet die künftige Ausbildung der Mediziner zu jenen Punkten zählt, die diese Regierung unerledigt vor sich her schiebt. Dies vor allem, weil sich Gesundheitsminister Stöger und die Ärztekammer nicht einigen können, wie lang die Ausbildung in Praxen im niedergelassenen Bereich dauern soll. In den Krankenhäusern sind hingegen etwa Turnusärzte als billige Kräfte voll im Einsatz – und die Politik schaut da gern zu.

In Österreich wurde in den vergangenen Jahrzehnten die medizinische Versorgung der Bevölkerung in der umgekehrten Reihenfolge angegangen. Da hatte in der politischen Realität die Behandlung der finanziellen Notfälle der Spitäler Vorrang, weil es dabei auch um das Geld der Landes- und Gemeindepolitiker für die Krankenhäuser als eines der Statussymbole ganzer Regionen ging. Die Bedeutung der Hausärzte wurde zwar bei fast jeder gesundheitspolitischen Diskussion beschworen. Aber um deren Zukunft und die Sicherung des Nachwuchses dieser Mediziner ging es, wenn überhaupt, immer erst zuletzt. Noch mehr Lippenbekenntnisse gab es nur zur Prävention.

Da wird der Bevölkerung lieber vor einer Nationalratswahl vorgegaukelt, mit einer Medizin-Fakultät wie in Linz würde automatisch der Mangel an Hausärzten beseitigt. Wäre es so einfach, müsste ja jede Landeshauptstadt rasch eine Medizin-Uni bekommen.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.