Die Migranten warten nicht im Ausland, sie sind schon da

Migranten warten nicht Ausland
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Österreich braucht Zuwanderung, sagen Experten unisono. Da wir diese aber kaum steuern können, müssen wir an der Integration jener arbeiten, die schon hier sind.

Es hätte doch so einfach sein können: Da Experten seit Langem auf die demografischen Probleme hinweisen, die sich aus einem durchschnittlichen Pensionsantritt in den späten 50ern sowie einer auf „Aussterben“ eingestellten durchschnittlichen Kinderrate von 1,4 pro Frau ergeben, hat die Regierung 2011 die Rot-Weiß-Rot-Karte eingeführt. Dank dieser sollten sich Hochqualifizierte aus aller Herren Länder hierzulande die Klinke in die Hand geben, so die Hoffnung.

Leider dürfte daraus nichts werden, wie aus den Zahlen der OECD hervorgeht. So handelt es sich nur bei zwei Prozent aller Migranten, die pro Jahr nach Österreich kommen, um „gesteuerte“ Arbeitsmigranten. Der Anteil des ungesteuerten Familiennachzugs aus Nicht-EU-Ländern ist hingegen mehr als zehnmal so hoch. Und auch wenn es sich beim größten Teil des Migrationskuchens – dem Zuzug aus anderen EU-Ländern – vielfach um deutsche Studenten handeln dürfte, zeigt die Statistik eines sehr deutlich: Die Hoffnung auf eine leichte Lösung des Demografieproblems mittels „gesteuerter Zuwanderung“ ist eine Chimäre.

Drei Schlüsse lassen sich nun aus dem Befund ziehen. Erstens: Die Erkenntnis, dass Österreich ohne einen sprunghaften Anstieg der Geburten Zuwanderung braucht, um die Überalterung in den Griff zu kriegen, bleibt. Zweitens: Die Fehler der Vergangenheit – Arbeitsmigration komplett ungesteuert erfolgen zu lassen – sollten tunlichst vermieden werden. Drittens: Wenn sich die Zuwanderung schon nicht steuern lässt, dann müssen die Ausbildung und Integration der Zugezogenen forciert werden.

Gerade beim dritten Punkt liegt noch vieles im Argen. So verfügen laut Innenministerium Menschen mit Migrationshintergrund zu 31 Prozent lediglich über einen Pflichtschulabschluss. In der angestammten Bevölkerung liegt dieser Wert hingegen nur bei 13 Prozent. Doch auch wenn Migranten eine höhere Ausbildung haben, wird dieses Potenzial viel zu wenig genutzt. So müssen sich (laut OECD-Zahlen) 21,1 Prozent von ihnen mit weniger qualifizierten Tätigkeiten begnügen, etwa, weil die Ausbildung nicht anerkannt wird. Von den Österreichern sind nur 11,5 Prozent für ihren Job zu gut ausgebildet.
Ändern kann diese Situation nur eine Fülle an Maßnahmen, die unter dem – schon leicht angegrauten, aber immer noch gültigen – Motto „Fördern und fordern“ zusammengefasst werden sollten. Wie klein die Probleme sein können, an denen migrantische Bildungskarrieren scheitern können, zeigt eine Umfrage des AMS. Demnach sind 60 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergund bei Bildungsfragen auf sich allein gestellt. Viele Eltern hätten es zwar gern, dass ihre Kinder höhere Bildung erlangen, wissen aber schlicht nicht, welche Schritte dafür notwendig sind. Vergleicht man dies mit jenen Familien, die bei der Wahl des Kindergartens bereits überlegen, ob diese auch ja den Weg in Richtung Uni-Diplom ebnet, lässt sich erahnen, was „Bildungsferne“ in der Realität bedeutet.


Gleichzeitig darf nicht verschwiegen werden, dass Integration auch eine Bringschuld der Migranten ist. Und dazu gehört folgende „politisch inkorrekte“ Feststellung: Ohne partielle Assimilation wird eine echte Integration nicht gelingen. Dies trifft vor allem auf soziokulturelle Differenzen zwischen Herkunftsland und Österreich zu, für die sich einfach keine Kompromisse finden lassen. So müssen moslemische Migranten natürlich kein Schweinsschnitzel essen. Sie müssen aber etwa akzeptieren, dass auch ihre Töchter am Schwimmunterricht teilnehmen und das Recht auf eine höhere Bildung haben. Und nur wenn diese Bringschuld bedingungslos eingefordert wird, kann man das Problem in den Griff bekommen, dass ein Teil der Mädchen aus Zuwandererhaushalten nach der Pflichtschule einfach „verloren geht“, wie es ein AMS-Mitarbeiter im „Presse“-Interview einst ausgedrückt hat.

All dies wird von der angestammten Bevölkerung, den Migranten und der Politik viel Anstrengung erfordern. Doch ohne wird es nicht gehen. Denn gut ausgebildete und fließend Deutsch sprechende Zuwanderer werden auch künftig die Minderheit bleiben.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2013)

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