Steuersenkungen? In Wahrheit droht uns ein Sparpaket

Alle reden vor der Wahl davon, die Steuern senken zu wollen. Die wirkliche Herausforderung nach der Wahl wird freilich sein, ein Sparpaket zu vermeiden.

Es ist richtig niedlich, was Andreas Schieder gestern gesagt hat: Der Staatssekretär der SPÖ kritisierte den Koalitionspartner ÖVP dafür, Wahlzuckerln in Form von Steuersenkungen und Erleichterungen für die Familien zu versprechen, ohne zu sagen, wie es finanziert werden soll.

Natürlich hat Schieder mit seiner Kritik völlig recht. Glaubwürdiger wäre sie freilich, wenn er zugleich erklärte, dass die SPÖ deshalb gar nichts verspricht. Das macht er natürlich nicht, sondern versucht seinerseits, das Wahlzuckerl seiner Partei etwas süßer als jenes der ÖVP zu machen: Der Eingangssteuersatz soll auf 30, vielleicht sogar auf 25 Prozent gesenkt werden, und finanzieren sollen das die Reichen mit einer Millionärssteuer. Zwei Fliegen auf einen Schlag also für die SPÖ: Man verspricht potenziellen Wählern nicht nur mehr Geld, sondern vor allem, dass man den Reichen etwas wegnehmen wird. Und gerade Letzteres kommt vermutlich besonders gut an, weil hierzulande ja stets jemand jemandem etwas neidet.

Viel ernsthafter ist die SPÖ bei ihren Wahlversprechen übrigens auch nicht (erwartet das eigentlich überhaupt noch irgendjemand, der schon einmal einen Wahlkampf miterlebt hat?): Mit einer Vermögensteuer allein wird man den Steuersatz nicht derart massiv senken können. Zumal die SPÖ ja nicht einmal die Steuersätze ihrer Idee nennt (die kolportierten 0,3 bis 0,7 Prozent für Beträge über einer Million Euro gelten mittlerweile nur noch als „Zahlenbeispiele“) oder das Modell vorrechnen will, sondern nur eine Summe von insgesamt drei Milliarden Euro in ihrem Programm verspricht. Man darf sich ja schließlich wohl noch etwas wünschen.

Nein, Herr Schieder, die Sozialdemokratie ist auch nicht viel seriöser als die Volkspartei, aber immerhin etwas straffer und besser organisiert: In der ÖVP kann man sich ja nicht einmal darauf einigen, ob die SPÖ nun mit ihren Steuerdebatten für Abwanderungen von Betrieben sorgt oder nicht.

Wirklich seriös wäre es, würde uns eine Partei reinen Wein einschenken. Denn in Wahrheit geht es nicht um Steuersenkungen. Wir können schon alle froh sein, wenn uns nach der Nationalratswahl nicht ein Sparpaket droht.

Da ist einmal die Hypo Alpe Adria, die tatsächlich „ein Fass ohne Boden“ zu werden droht (die einzig richtige Einschätzung übrigens von Finanzministerin Maria Fekter in der Causa). Bei allen Dementis wird man um eine Bad Bank für alle angeschlagenen Banken nicht herumkommen, und das macht den Budgetfahrplan zur Makulatur.

Dazu kommen die immer noch unklare Wirtschaftslage, die Zahl der Arbeitslosen und eine von der EU verordnete Neuberechnung des Budgets, die die Staatsschuld um etwa 15 Milliarden Euro erhöhen wird: Denn ab Ende des Jahres müssen ausgegliederte Unternehmen den Verbindlichkeiten des Staates zugerechnet werden. Und das macht allein bei den ÖBB einen fast zweistelligen Milliardenbetrag aus.


Die Politik weiß um die Probleme– ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger deutet sie an, indem er eine Steuerreform erst für 2016 verspricht, wenn „wir das Nulldefizit erreicht haben“ (also nie) –, sie schweigt aber aus Angst vor dem Machtverlust. Das garantiert eine Mittelmäßigkeit und Beliebigkeit in der Politik, die Menschen geradezu nach klaren Worten dürsten lässt. Dieses Faktum muss man nicht immer nur die Opposition nützen lassen, die wenig zu verlieren hat. Josef Pröll ist ein gutes Beispiel dafür, dessen Umfragewerte als Finanzminister 2009 unerwartete Höhen erreicht haben, als er ganz offen über die Schwierigkeiten des Landes gesprochen hat, und davon, dass man „heilige Kühe“ schlachten müsse. Sie sackten ebenso schnell wieder ab, als er auf Druck der eigenen Partei in die übliche Nichtssage verfiel.

Man kann der SPÖ einen der Ihren vorhalten, den Philosophen und Mitgründer der deutschen Sozialdemokratie, Ferdinand Lassalle: „Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht im Verschweigen dessen, was ist.“

Andreas Schieder hätte sich unseren Respekt verdient, wenn er sich gestern daran gehalten hätte.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2013)

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