Und was kommt nach einem Militärschlag in Syrien?

Die USA planen angeblich begrenzte Angriffe auf syrische Positionen. Assad muss sich nur gut verstecken und kann dann seinen Krieg ungehindert weiterführen.

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die USA, mit Rückendeckung einer westlichen Allianz der Willigen, in Syrien losschlagen. Die Würfel sind offenbar bereits gefallen. US-Außenminister John Kerry jedenfalls bereitete in der Nacht auf Dienstag den Boden für einen Militärschlag. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Amerikaner die syrische Regierung für den „unleugbaren“ Einsatz chemischer Waffen gegen Zivilisten zur Rechenschaft ziehen werden. Er hat den Ton der Entrüstung angeschlagen, der Kriege einläutet.

Der Regierung Assads, die jegliche Verantwortung für den Giftgasangriff nahe Damaskus abstreitet, hat der amerikanische Chefdiplomat eine Vertuschungstaktik vorgeworfen. Die syrischen Behörden hätten den UN-Inspektoren fünf Tage lang den Zugang zum Ort des Grauens verwehrt, um Beweise zu vernichten, behauptete Kerry. In den kommenden Tagen will die US-Regierung nun ihrerseits Belege veröffentlichen. Dann soll unstrittig sein, wer die Schuld am Giftgasmassaker trägt.

Wie klar die Faktenlage danach auch immer sein mag: Assad sowie seine Freunde in Moskau, Peking und Teheran werden weiterhin Zweifel schüren, um die Legitimität eines Vergeltungsschlags infrage zu stellen, der wegen des absehbaren russischen und chinesischen Vetos in jedem Fall ohne UN-Mandat erfolgen wird. Ihr Hauptargument besteht darin, dass ein Giftangriff des syrischen Regimes zum jetzigen Zeitpunkt unsinnig wäre: Assad hat im Bürgerkrieg die Oberhand gewonnen und außerdem gerade UN-Inspektoren ins Land gelassen.

Eine lange unabhängige Untersuchung mit ungewissem Ausgang wird US-Präsident Obama jedoch nicht abwarten. Er hat vor mehr als einem Jahr eine rote Linie gezogen, die mit dem Einsatz chemischer Waffen nun überschritten ist. Seither ist Obama in zwei Fällen mit unklarer Beweislage vor Militärschlägen zurückgeschreckt. Der Giftgasangriff vergangene Woche hatte indes eine unübersehbare Dimension. Hunderte Zivilisten fielen ihm zum Opfer; und dass es Nervengift war, bestätigten „Ärzte ohne Grenzen“. Wenn die US-Regierung tatsächlich Belege für Assads Urheberschaft hat, ist Untätigkeit keine Option. Obama muss handeln, sonst sind seine drohenden Gesten als leer entlarvt.

Was aber kommt nach einem Militärschlag in Syrien? In US-Medien ist durchgesickert, dass Obama eine begrenzte Vergeltungsaktion plant. Demnach sollen Marschflugkörper auf Positionen des syrischen Regimes abgefeuert und die Ziele auf der Angriffsliste innerhalb weniger Tage abgehakt werden. Und danach? Assad wäre noch immer an der Macht, seine Armee nicht entscheidend geschwächt, sondern nach wie vor im Vorteil. Der Bürgerkrieg ginge weiter, die USA zögen sich wieder auf die Zuschauerränge zurück. Sie wollen in diesen unübersichtlichen Krieg, der entlang ethnisch-religiöser Linien tobt, nicht hineingezogen werden. Es gibt keine geeinte vernünftige Opposition, die der Westen unterstützen könnte. Nur eine Ansammlung mehr oder minder extremistischer Gruppen, die sich zunehmend radikalisieren. Verhandlungen, die ohnehin kaum Aussicht auf Erfolg hatten, könnte man nach dem Militärschlag auf absehbare Zeit vergessen. Russen und Amerikaner werden ihr tot geborenes Projekt einer Syrien-Friedenskonferenz vorderhand auf Eis legen, wenn nicht gar begraben.


Die geplanten Attacken mit Cruise Missiles hätten einzig den Zweck, das syrische Regime und andere verantwortungslose Akteure auf dieser Welt davon abzuhalten, jemals wieder Massenvernichtungswaffen zu gebrauchen. Das wäre einerseits ein notwendiges Statement im Dienste der globalen Sicherheit. Andererseits müssen die Amerikaner aufpassen, dass sie das syrische Chemiewaffenarsenal mit ihrem Beschuss nicht versehentlich für die extremistischen Gegner des Assad-Regimes öffnen. US-Generalstabschef Martin Dempsey hat unlängst auf diese Gefahr hingewiesen.

Die USA haben vor den nahenden Militärschlägen keine umfassende Syrien-Strategie, und danach wird auch keine vom Himmel fallen. Die Amerikaner sind aber nicht die einzigen Ratlosen. Auch nach mehr als 100.000 Toten weiß niemand, wie der Bürgerkrieg in Syrien gestoppt werden kann.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2013)

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