Wir hätten da noch ein paar Fragen

Wichtige Themen wurden im Wahlkampf absichtlich gemieden: von der EU bis zur NSA. Bei der Kultur- und Medienpolitik sind wir das schon gewohnt.

Routiniert ist eine drastische Untertreibung für die roboterhafte Geschwindigkeit, mit der die Spitzenkandidaten der beiden Koalitionsparteien ihre Themen herunterbeten. Was für Werner Faymann die Gerechtigkeit und die Verlässlichkeit, das sind bei Michael Spindelegger die Leistung und die Wirtschaft.

In den Dauerschleifen-Fernsehduellen dieser Tage und den dazugehörigen Wahlkampfauftritten geht es vor allem darum, die eigene Kernbotschaft so lange zu malträtieren, bis sie der eigene Pressesprecher nicht mehr hören kann. Bestimmte Themen hingegen sind für Wahlkämpfer tabu.

Bei den beiden Großparteien SPÖ und ÖVP sind das beispielsweise die Europa-Politik und die dazupassende Eurokrise. Interessanterweise bringen auch Heinz-Christian Straches Freiheitliche sowie die beiden Ein-Mann-Parteien Team Stronach und BZÖ diese Themen kaum mehr aufs Tapet. Dabei wäre eine Klärung der künftigen EU-Politik des Landes die wohl entscheidende Frage: Soll es noch mehr Zentralismus geben? Verlieren die Nationalstaaten Rechte? Wird es eine gemeinsame Steuer- und Sozialpolitik geben? Und wenn ja, wer gibt sie vor? François Hollande? Oder Angela Merkel? (Seit vergangenem Sonntag ist Zweiteres zum Glück wahrscheinlicher geworden.)

Von Werner Faymann wissen wir, dass er sich gern als „glühenden Europäer“ bezeichnen lässt. Michael Spindelegger zuletzt wohl eher als „konstruktiv kritischen Europäer“. Aber auch das passte nicht so richtig auf die Wahlplakate. Und eine offene Antwort auf die Problemstellungen weiterer Hilfspakete hätte sich die Bevölkerung gleichfalls verdient gehabt. Dass auch eine Angela Merkel diese Untiefe umschifft hat, darf nicht als Ausrede durchgehen.

Nicht weit davon entfernt sind die Steuerzahlungen für das blau-orange Hypo-Alpe-Adria-Desaster und mögliche weitere Turbulenzen der Volksbanken. Faymann und Spindelegger greifen dieses Thema nur auf, wenn ihnen Heinz-Christian Strache und Josef Bucher entgegengrinsen. Wie es weitergehen soll, verraten sie nicht. Faymann will zwar die absurde Bankensteuer verlängern, die nur wenige österreichische Großbanken trifft, aber mehr fällt ihm zu diesem Thema nicht wirklich ein. Der Schwarze Peter gehört der schwarzen Finanzministerin.

Nächstes Beispiel sind die Schulden der Länder und des Bundes: Von den Spitälern der Steiermark über die Salzburger Spekulationsblase bis zum Kärntner Wahnsinn – wer wie und wann das wirklich saniert, verrät keiner. Die Aussage, die Länder hätten sich auf eine minimale Obergrenze der Neuverschuldung verpflichtet, ist frech: Alle Länder werden gemeinsam gerechnet, budgetiert eines sauber, darf der eine oder andere Landeshauptmann weiter in den Honigtopf langen.

Dann wäre da noch die Forschungspolitik, die dringend neue Mittel und Ideen bekommen müsste. Davon redet keiner auch nur ein Wort. Lediglich die andere Verteilung der Ressorts, die wird gerade heftig diskutiert. Vermutlich, weil die Bildungspolitik ohnehin schon so peinlich ist. Von Feldern wie Kultur- oder Medienpolitik ist ebenfalls überhaupt nie die Rede. Sie werden ausgeklammert, heißt es da immer wieder. Also außer Streit gestellt: Vermutlich, weil keiner an einen großen Wurf glauben will und kann.

Und dann hätten wir da noch eine der größten sicherheitspolitischen Absurditäten der vergangenen Jahre: Das stolze, neutrale Österreich dürfte den Freunden des US-Nachrichtendienstes NSA fröhlich Zugang zu Daten gegeben haben. Doch der kurzfristig gefeierte SPÖ-Verteidigungsminister Gerhard Klug sagt einfach nichts dazu und posiert für die Kameras. Den frommen Wunsch, dass in diesem Zusammenhang über die Neutralität diskutiert werden könnte, wagt ohnehin niemand zu diskutieren. Und die Begriffe Verwaltungsreform oder Generationengerechtigkeit lassen sich ohne zynischen Unterton kaum mehr aussprechen.

Der Wahlkampf – die Zeit fokussierter Unintelligenz? Letzteres mag stimmen. Nur: Fokussiert wirkt da kaum etwas, eher auswendig gelernt.


E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)

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