Leitartikel: Diese Protestwahl muss Folgen haben

SPÖ und ÖVP erzielen ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Weiter zu dilettieren können sich die umzingelte VP und die waidwunde SP nicht leisten.

Monatelang wurde er medial verabschiedet: Heinz-Christian Strache ist wieder da. Die Protestpartei FPÖ ist – neben den Neos – der Gewinner dieser Wahl –, obwohl oder weil er diesmal einen merkwürdigen und im Vergleich fast weichen Wahlkampf geführt hat. Es war Frank Stronach, der ihm vor einem Jahr die Oppositionsshow gestohlen und dank eigentümlicher TV-Auftritte an Zustimmung verloren hat. SPÖ und ÖVP ist es in keinem Moment in den vergangenen Jahren auch nur im Ansatz gelungen, frühere oder potenzielle FPÖ-Wähler anzusprechen. Oder sonst viel zu bewegen. Die SPÖ hat wohl wieder an die FPÖ verloren, der gerühmte Kernklientel-Wahlkampf war doch nicht so erfolgreich. Die Partei bietet kaum Ideen, sondern verwaltet nur das Alte.

Die ÖVP ist ab sofort strategisch in einer noch unangenehmeren Lage als bisher: Rechts frisst die FPÖ Stimmen weg, in der Mitte knabbern die Neos. Diese neue Gruppierung ist mit ihrem Einzug die positive Überraschung, ihr neuer Stil und ihre liberale Programmatik sollten das politische Klima verbessern. Intern wird nach dem Anfangshype, den Wiens Medien nun mit Sicherheit inszenieren werden, dennoch die Richtungsfrage zu klären sein: Sind sie so liberal wie ihre Julis? Oder doch im gemütlichen linksliberalen Klub mit SPÖ und Grünen? Mehr FDP oder nur Punschkrapfen-Liberales-Forum? Dieser Konflikt wird aufbrechen. (Sponsor Hans Peter Haselsteiner hat vor der Wahl dem Vernehmen nach deponiert, dass die Neos theoretisch in eine Ampelkoalition mit SPÖ und Grünen gehen würden, so es sich ausgeht, hingegen niemals in eine Rechts-Koalition.) Wird der Konflikt gelöst, haben die Neos bei der nächsten Wien-Wahl gute Chancen auf ein zweistelliges Ergebnis.

Dort, in ihrer Hochburg Wien, haben die Grünen diesmal ihren Erfolg verspielt. Nennen wir es Christoph-Chorherr-Effekt: Man experimentiert mit einer funktionierenden Einkaufsstraße, als wäre es die eigene Schlosszufahrt, und begegnet jedem, dem das nicht so gefällt, herablassend und selbstgefällig. Das lassen sich nicht alle gefallen, selbst im obrigkeitshörigen Wien nicht.

Zurück zu den eigentlichen Problemparteien: Die ÖVP muss wie das Sozial- und Schulsystem (und die SPÖ) gründlich reformiert werden. Bünde, Beamtengewerkschaft und Bundesländer: Vielleicht sollte sich die ÖVP weiter spalten, um zu sehen, wer oder was übrig bleibt. Die ÖVP hat aber auch die Städte zum Teil aufgegeben, junge urbane Bürgerliche sind in Scharen zur Konkurrenz gelaufen. Die Neos stehen für den städtischen Niedergang: Gerichtet wurde nicht nur über den Stillstand der Koalition und über vergangene Korruptionsfälle im ÖVP-Umfeld, sondern auch über Ton und Themenwahl. Die ÖVP plakatierte Berge, den Kanzlerkandidaten als Onkel mit Kindern, warnte vor Tofu und Zwangskindergarten. Weiter kann man sich von der Lebenswelt junger, ganz normaler Städter kaum entfernen.

In der SPÖ wird man Platz eins zwar feiern, als wäre Bruno Kreisky Charly Blecha in Mallorca erschienen, aber es ist ein sehr peinliches Ergebnis. Werner Faymann musste in den letzten Wochen alles versprechen, was Norbert Darabos gerade einfiel: von Gratiszahnspangen über Mindestkollektivverträge für alle bis zur Steuerreform auf Pump. Teurer kann ein Pseudosieg nicht erkauft werden.

Die Niederlage ist so groß wie jene der ÖVP, damit hat in der Zentrale in der Löwelstraße keiner gerechnet. Vor allem aber werden die Wahlversprechen nicht einzulösen sein, das Vertrauen der SPÖ in den Chef, das sich in Wahlkämpfen automatisch einstellt, wird leiden. Intern wird der Druck, den Faymann bei den Massenstreichungen beim vergangenen Parteitag bemerkt hat, zunehmen, sein Führungsanspruch infrage gestellt werden. Dadurch wird der ohnehin klein portionierte Mut des vermutlichen Kanzlers weiterschrumpfen. Eine Grazer Reformpartnerschaft wird nach dem katastrophalen Abschneiden der Ex-Großparteien in der Steiermark im Wiener Kanzleramt nun vollends unwahrscheinlich.
Ein durch das Ergebnis notwendiger dritter Partner hätte dieser Koalition vermutlich keinen Turbo gebracht, aber vielleicht hätten SPÖ und ÖVP Signale und Drohung des Wählers besser verstanden.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2013)

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