LEITARTIKEL: Die Tapetentür zur FPÖ geht nicht mehr zu

Heinz Fischer bleibt vermutlich der merkwürdigste Moment seiner Karriere erspart: die Angelobung einer rot-blauen Regierung. Schade eigentlich.

Der Moment wird ein Bild für Geschichtsbücher sein: Das vermutlich letzte Mal wird eine Große Koalition angelobt. Das vermutlich letzte Mal wird Heinz Fischer aus der Tapetentür treten und zufrieden großväterlich lächeln. Das letzte Mal werden die (in)offiziellen Vertreter von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer als Regierungsmitglieder Schultern klopfend angelobt. Das letzte Mal wird das in eine Regierung gegossene gemütlich behäbige Österreich in Kameras lächeln. Das letzte Mal wird alles sein, wie es in der Welt Heinz Fischers immer sein sollte.

Gut, eine SPÖ-Alleinregierung mit Zweidrittelmehrheit wäre in der Hofburg willkommen. Selbst eine Ampelkoalition aus SPÖ, Grünen und Liberalem Forum – an Neos wird sich Fischer nicht so schnell gewöhnen – würde er angeloben. Tief drinnen aber lehnt Fischer Experimente ab. Es könnte sich alles ändern!

Die Mischung aus Ängstlichkeit und Mangel an regierungsfähigen Partnern führt schnurstracks zur nächsten, vom Wähler geschwächten Koalition aus SPÖ und ÖVP. In den vergangenen Tagen wurde eine Koalitionsvariante mit der FPÖ nicht wahrscheinlicher. Das Team Stronach wird so restrukturiert, wie man das von einem frustrierten Frank Stronach annehmen kann: Geldhahn zu, Landespartei tot. Weder für ÖVP noch für FPÖ wäre das ein verlässlicher Dritter, zumal der Zweite schon kein sicherer Kantonist wäre. Und dann ist da noch der heimliche Traum der Nationalen: Gemeinsam könnten SPÖ und FPÖ mit ihren Arbeitermassen die bäuerliche, vermeintlich wirtschaftshörige ÖVP mit ihrer bigotten Christlichkeit aus dem Amt jagen.

Der Druck kommt nicht nur von der Gewerkschaft: Kollege Joachim Riedl – vom Nationalen weit entfernt – schreibt in der „Zeit“ sinngemäß, dass der SPÖ angesichts der renitenten ÖVP nichts anderes übrig bleibe, als die blaue Krot zu schlucken. Dummerweise haben sich die führenden Sozialdemokraten in den vergangenen Jahrzehnten nicht über sozialpolitische Visionen oder europapolitische Ideen definiert, sondern hauptsächlich durch die Ablehnung der FPÖ, respektive von Schwarz-Blau. Ganze Politikergenerationen wurden mit antifaschistischer Folklore erzogen. Mit dem Anti-FPÖ-Slogan „Niemals wieder“ bei SPÖ-Auftritten wird zwar en passant der Nationalsozialismus verharmlost, aber es war ein gutes Bindemittel. Das funktioniert nun nicht mehr.

Der eigentliche Wahlerfolg Straches fand nicht bei der Wahl am Sonntag, sondern in den Tagen danach statt: In der SPÖ bricht eine Diskussion über den Umgang mit der FPÖ los. Anfangs zeigen die Hinterbänkler in den Ländern auf, die sich dank gemeinsamen schwarzen Feindes längst den FPÖ-Kollegen angenähert haben. In der Bundespartei kommt Norbert Darabos in Bedrängnis; die Feststellung, die Parteispitze, nicht die Basis entscheide über Koalitionen, klingt ängstlich. Nun kann sich Hannes Androsch für die SPÖ vorstellen, unter bestimmten Bedingungen mit der FPÖ zu werken. Immerhin: Mit Norbert Steger wurde vor drei Jahrzehnten koaliert, nun wäre es eben dessen Tochter, die das Sportstaatssekretariat führte.

Diese Tür wird Faymann nicht mehr schließen können. Spätestens nach der nächsten Wahl wird sein Nachfolger nicht mittels des noch mehr ergrauten Gesandten Josef Cap mit der FPÖ kommunizieren, sondern direkt auf Augenhöhe. Die ÖVP wird diese Gewissheit in Verhandlungen mit der SPÖ wieder ein bisschen biegsamer werden lassen.

Die ÖVP träumt von Macht und blühender Wirtschaft, die alles repariert. Wie irreal mancher trotz der Wahl denkt, zeigt die Idee, die Neos als Art CSU einverleiben zu wollen. Das ist genau das, was die Neos und ihre Wähler nicht wollen. So werden die Rosaroten nur weiter an die SPÖ herangeführt. Stattdessen sollten die Bürgerlichen begreifen: Wer sich vor Wien fürchtet, hat jede Wahl verloren. Und das tun sie fast alle in der ÖVP-Führung: Sie leben woanders, sie würden gern woanders (als Landeshauptmann) regieren, sie verstehen alles andere besser als Wien.

Eines ist sehr schade: Heinz Fischers Miene bei der Angelobung einer rot-blauen Regierung hätte sicher Oscar-Dimension: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2013)

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