Die Budgetschwindler und ihr Hypo-Syndrom

Wenn die neue Regierung irgendeine Existenzberechtigung haben will, dann muss sie eine Reformregierung werden. Die Chancen dafür stehen schlecht.

Als im vergangenen August zur Präsentation der Halbjahresbilanz der diesjährige Kapitalbedarf der Hypo Alpe Adria verkündet wurde, hieß das in einem „Presse“-Kommentar (ganz nebenbei: unwidersprochen) die „700-Millionen-Lüge“. Ganz einfach deshalb: Jeder, aber wirklich jeder, der es wissen wollte, wusste damals, dass die Kärntner Pleitebank allein in diesem Jahr nicht 700 Millionen, sondern mindestens zwei Milliarden Euro Kapitalzuschuss benötigen würde.

Und jeder wusste, dass die Finanzministerin ein solches Budgetloch vor der Wahl nicht brauchen konnte – und deshalb versuchte, die Wahrheit mit aller Brachialgewalt bis hinter den Wahltermin zu verschleppen. Unnötig zu sagen, dass sich die parteiabhängigen Nationalbank- und sonstigen Politopas, die den Aufsichtsrat der notverstaatlichten Pleitebank bilden, zum willfährigen Instrument der Budgetverschleierungsaktion machten. Nicht nur damit, sondern auch mit der mutwilligen Verschleppung dringend notwendiger, aber nicht gerade budgetschonender Maßnahmen wie etwa der diskutierten Bad Bank.

Fazit: Das „Binkerl, das die Steuerzahler mit der Kärntner Bank umgehängt bekommen, wird deutlich größer als notwendig (mein Tipp: insgesamt elf bis zwölf Milliarden, so wie es das Finanzministerium als Worst Case nach Brüssel gemeldet hat). Und die Bank findet aus gutem Grund keinen Nachfolger für den im Sommer zurückgetretenen Vorstandschef. Kein Wunder, wie Bankerkollegen meinen: Wer will schon aus politischen Rücksichten ständig am Rande der Bilanzfälschung dahinwandeln (die 700-Millionen-Spritze vom Sommer beispielsweise wurde schon im Juni verbucht, ist aber erst im September geflossen) – in dem Wissen, dass das im Ernstfall dann an ihm hängen bleibt.

Dass honorige Persönlichkeiten im Aufsichtsrat damit ihren Ruf aufs Spiel setzen, ist deren Angelegenheit. Dass die Sache dadurch, dass man Politikern beim Schummeln hilft, für die Steuerzahler (die das wahrscheinlich per Belastungspaket bezahlen werden) viel teurer wird, nicht.

Jedenfalls: Wer jetzt überrascht tut, dass es schon wieder eine Finanzlücke bei der Hypo gibt, heuchelt. Wir walzen das hier deshalb so breit aus, weil diese Form der Heuchelei so charakteristisch für die gesamten laufenden Koalitionsverhandlungen ist. Wer von den verantwortlichen Regierungspolitikern von der 40-Milliarden-Finanzlücke, die sich jetzt angeblich so plötzlich auftut, überrascht wurde, ist nämlich entweder ziemlich naiv und damit für den Politikerjob ungeeignet – oder er sagt nicht die Wahrheit. Beides wohl nicht die ideale Qualifikation für die künftige Regierung.

Die Lücke ist nämlich nicht plötzlich entstanden und auch nur zum kleineren Teil Folge der Bankenrettungen. Sie hat sich durch Reformverweigerung dieser und vorheriger Regierungen systematisch aufgebaut, ihr wahres Ausmaß ist durch die Fekter'schen Budgetschwindeleien der Vorwahlmonate nur ein bisschen zugedeckt gewesen. Sie wird auch noch größer werden: Wenn man die Konjunkturentwicklung in der Eurozone und die Entwicklung des heimischen Arbeitsmarkts ohne rosa Brille betrachtet, dann sind die 40 fehlenden Milliarden bis 2018 eher noch die Untergrenze.


Das ist noch nicht die große Katastrophe. Auch einen bisher verschwiegenen Finanzbedarf von realistisch gesehen zehn Milliarden Euro im Jahr kann man decken, wenn man die bereits vielfach von Wirtschaftsforschern, Rechnungshof etc. definierten Sparpotenziale, deren hundertste Wiederholung wir uns hier ersparen, vernünftig hebt. Man muss damit allerdings einmal beginnen (statt nur über neue Steuern nachzudenken). Wenn die neue Regierung also irgendeine Existenzberechtigung haben soll, dann muss sie eine Reformregierung werden, auch wenn es so mancher Klientel der beiden Großparteien wehtut.

Die Chancen dafür stehen freilich schlecht: Wenn faktenresistente Landeshauptleute in dieser Situation beginnen, Forderungskataloge mit Milliardenwünschen an die Regierung auszuarbeiten, dann sieht es für dieses wunderbare Land leider wirklich nicht gut aus.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2013)

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