Die Arbeitslosigkeit steigt, und die künftige Regierung sitzt vor einem Budgetloch, in dem diese ernste Entwicklung noch gar nicht enthalten ist.
Die Arbeitslosigkeit stieg im November „dramatisch“, wie es heißt. Im Vergleich zum Vorjahr waren elf Prozent mehr Österreicher auf Jobsuche. Die Entwicklung ist ernst, aber nicht neu. Seit Monaten werden „dramatische“ Zahlen vom Arbeitsmarkt gemeldet. Der einzige Unterschied: In den nächsten Tagen soll ja bekanntlich eine neue Bundesregierung zustande kommen. Und natürlich wird nun reflexartig gefragt: Was machen denn die Politiker dagegen? Schließlich rechnet das Arbeitsmarktservice nächstes Jahr zu Spitzenzeiten mit bis zu 450.000 Arbeitslosen. So viele gab es in diesem Land seit der Großen Depression in den 1930er-Jahren noch nie.
Bevor man aber politische Maßnahmen fordert, sollte man sich anschauen, was die Politiker in der Vergangenheit getan haben: Sie haben sich vor allem mit Arbeitslosendaten gerühmt. Denn im Vergleich zu den anderen EU-Staaten sind wir schließlich großartig. Klassenbester sogar. Das Problem: Wir haben uns die guten Noten nicht redlich verdient, sondern teuer erschummelt. Etwa, indem wir in Österreich viel früher in Pension gehen als unsere Nachbarn in Deutschland. Und da diese Schummelei nächstes Jahr nicht mehr möglich ist, weil der Zugang zur Invaliditäts- und Hacklerpension erschwert wird, wird sich das auf die Arbeitslosenstatistik niederschlagen. Und natürlich sind in den EU-Zahlen jene knapp 80.000 Personen nicht eingerechnet, die im AMS an Schulungen teilnehmen.
Apropos rechnen: Im Budgetfahrplan geht die Regierung von einer Arbeitslosenquote von 6,7 Prozent aus. Aktuell liegt sie bei acht Prozent. Die Differenz – einige Milliarden Euro – fällt dann wohl in die Kategorie Budgetloch.
Wenn also von Arbeitslosigkeit die Rede ist, wird geschummelt, schöngeredet und ignoriert. Eines ist aber unbestritten: Arbeitslosigkeit kann eine Gesellschaft destabilisieren, ein politisches System radikalisieren, die Geschichte hat uns dies gelehrt.
Wer Arbeitslosigkeit bekämpfen will, darf sich nicht nur auf die Statistik berufen. In Österreich waren im November nicht 381.000Menschen ohne Arbeit. Das ist eine statistische Zahl. In Wahrheit waren viel mehr betroffen, doch viele haben innerhalb kurzer Zeit wieder einen Job gefunden. Es sind zum Glück nicht immer dieselben ohne Arbeit. Das Problem ist bei uns auf viele Schultern verteilt, das macht es erträglicher. In Frankreich, Spanien oder Italien gibt es Familien, die seit Generationen keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen. Dort wird Arbeitslosigkeit vererbt. Wer diese Erbkrankheit behandeln will, muss den Kündigungsschutz lockern und nicht verschärfen. Es mutet paradox an, aber die Reformen in Deutschland unter SPD-Kanzler Schröder sind der Beweis dafür.
Womit nun die Frage gestellt werden darf: Was macht die Politik gegen die hohe Arbeitslosigkeit? Und die Antwort kann nur lauten: Sie schafft gute Rahmenbedingungen für Unternehmen. Sie sind nicht ganz so schlecht, wie viele Konzernchefs in jüngster Zeit bekundet haben. Immerhin ist nicht nur die Arbeitslosigkeit so hoch wie nie zuvor, sondern auch die Zahl der Beschäftigten. Ja, unter den knapp 3,4 Millionen Arbeitnehmern sind auch viele mit Teilzeitjobs. Trotzdem: Immer mehr Österreicher haben Arbeit. Aber sie zahlen auch immer mehr Steuern, immer mehr Lohnsteuer vor allem.
Und diese drückende Steuerlast auf Arbeit gilt es zu senken. Wer Arbeitslosigkeit nachhaltig bekämpfen will, muss Arbeit steuerlich entlasten. Das wurde vor der Wahl ja auch so versprochen. Aber das war, lange bevor die alte und vermutlich auch zukünftige Regierung trotz einer Rekordsteuerbelastung in diesem Land ein riesiges Budgetloch aufgerissen hat. „Dramatisch“ ist dafür ein Hilfsausdruck.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)