Deutschland als Vorbild? Die GroKo arbeitet fieberhaft dagegen

Nun steht sie also, die Große Koalition der Spendierhosenträger. Keine gute Nachricht, denn wer selbst prasst, kann andere nicht zum Sparen auffordern.

Für die SPD-Führung war der Samstag ein vorgezogenes Weihnachtsfest: Die Augen von Sigmar Gabriel, Andrea Nahles und Genossen leuchteten wie die kleiner Kinder beim Auspacken der Geschenke, als sie vor die Presse traten und das Ergebnis des Mitgliederentscheids verkündeten, das endgültig den Weg zur Großen Koalition ebnete. Man kann es ihnen nicht verargen: Endlich einmal wieder eine Wahl gewonnen! Das ist ein Gefühl, an das sich die SPD-Spitze schon fast nicht mehr erinnern konnte. Zugegeben, es war keine Wahl, in der man über den politischen Gegner gesiegt hat, sondern nur über Teile der eigenen Basis, aber wer wird da so kleinlich sein? Ein Sieg über jene Teile der Basis, die Angst haben, erneut von Angela Merkel erdrückt zu werden, sodass nach der nächsten Wahl die Schlagzeile droht: „SPD noch zweistellig“ und die im Koalitionsvertrag zu wenig rote Tinte sehen.

Das freilich ist ein bedauerlicher Fall von Farbenblindheit. Man muss dem neuen FDP-Chef Christian Lindner recht geben, der aus dem Off der außerparlamentarischen Opposition feststellte, es sei nun wirklich kein Wunder, dass die SPD einem sozialdemokratischen Koalitionsvertrag zugestimmt hat. Auch das ist noch untertrieben, denn tatsächlich handelt es sich, blickt man auf das Füllhorn der beschlossenen Wohltaten, um eine Koalition dreier sozialdemokratischer Parteien: CDU, CSU und SPD. Der Vertrag wurde in der „FAZ“ mit feiner Bosheit als „das netteste politische Dokument in deutscher Sprache“ tituliert. Vernichtender kann ein Urteil eigentlich nicht ausfallen. Das Adjektiv ist aber nicht nur auf den Stil vollendeter politischer Korrektheit zu beziehen, sondern auch auf den Inhalt. Nett ist dabei ein Synonym für teuer.

Falls es noch eines Beweises bedurft hat, dass Keynesianismus zwingend an selektiver Umsetzung scheitert, die GroKo, hat ihn erbracht: Deutschland steht wirtschaftlich gut da, dass die Steuereinnahmen sprudeln, liegt nicht an der Schaumweinsteuer, und die Arbeitslosigkeit ist – noch – niedrig. Der beste Zeitpunkt, um das Sparschwein zu füttern, sollte man meinen. Stattdessen gilt offenbar: Der beste Zeitpunkt, um das Sparschwein zu füttern, ist ein anderer. Sollen spätere Generationen von Bürgern und Finanzministern sich plagen. Man wird bald vorsichtig sein müssen, wenn man Krisenländern wie Griechenland rät, sich Deutschland zum Vorbild zu nehmen.

Diese Große Koalition der Spendierhosenträger, die enorme Belastungen für die Pensionskassen beschlossen hat (siehe nebenstehendes Interview), die sich von der „Rente mit 67“ schon wieder verabschiedet, bevor sie noch richtig umgesetzt war, die mit deutscher Gründlichkeit fast jeder gesellschaftlichen Gruppe etwas bieten will, sie benimmt sich wie ein Alkoholiker, der zwar weiß, dass ihn seine Sucht in den Abgrund führen wird, und dem in lichten Momenten klar ist, dass er mit seinem bisherigen Lebenswandel brechen muss, dem aber unverhofft der Nachtschlüssel eines Schnapsladens in die Hände fällt und der sich denkt: Nur noch einmal, das macht doch auch keinen Unterschied mehr. Man fühlt sich unwillkürlich an den Klassiker „Morgen, ja morgen“ der EAV erinnert. Das Lied geht nicht gut aus.

Bleibt die Frage, was Angela Merkel geritten hat, vor so vielen Forderungen der SPD in die Knie zu gehen. Es hätte eine Alternative gegeben. Merkel hatte die historische Chance, als erste Kanzlerin hintereinander mit drei verschiedenen Parteien eine Koalition zu bilden: SPD, FDP und den Grünen. Für die Ökopartei wie für die Union wäre es ein Befreiungsschlag gewesen. Doch bis sich die Grünen nach der Wahlniederlage sortiert hatten, war bei der Kanzlerin der Anflug von Mut wieder verflogen. Einen Versuch wäre es wert gewesen, doch diesfalls war der Physikerin Merkel Experimentierfreude fremd. Lieber gönnte sie der SPD einen PR-Coup, denn die Mitgliederbefragung hielt die Genossen konstant in den Schlagzeilen, bis zum erfolgreichen Abschluss. Die SPD sei eine lebendige Partei, meinte Gabriel am Wochenende. Immerhin das wäre geklärt.

Doch man darf nicht ungerecht sein: Die GroKo hatte einen tollen Start, der Begriff wurde zum Wort des Jahres gekürt. Hoffentlich nicht der einzige Erfolg.

E-Mails an: helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

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