In totalitären Ideologien ist kein Platz für „Andersgläubige“

Was haben Staaten wie Nordkorea und Saudiarabien gemeinsam? Sie verfolgen Christen und verletzen damit das Menschenrecht Religionsfreiheit.

Wer die Macht des Führers gefährden könnte, wer vom Weg abweicht, den das Regime vorgibt, wird vernichtet. Mit welcher Konsequenz Nordkoreas Diktator Kim Jong-un diese grausame Logik verfolgt, hat er erst in den vergangenen Wochen wieder bewiesen, als er seinen eigenen Onkel kurzerhand umbringen ließ. So verwundert es nicht, dass Nordkorea auch in einem anderen Repressionsranking den ersten Platz belegt: Laut einer neuen Studie ist es das Land, in dem Christen am massivsten unterdrückt werden.

Totalitäre Ideologien akzeptieren keine „Andersgläubigen“ und – je intensiver diese Ideologien selbst Heilsversprechen abgeben – auch keine anderen Religionen. Das zeigt Nordkorea nur allzu deutlich.

Besonders gefährlich wird die Mischung, wenn Religion an sich als Ideologie herhalten muss. Die Terrororganisation al-Qaida und ihre weltweiten Derivate predigen ihre pervertierte Version des Islam. Sie wollen eine Welt errichten, in der für niemanden Platz ist, der nicht die Gebote befolgt, die sie selbst als göttlich dekretieren. In der kein Platz für andere muslimische Richtungen wie die Schiiten oder gar für Christen und Juden ist. Dass im Islam die Buchreligionen Christentum und Judentum grundsätzlich akzeptiert werden, kümmert diese Extremisten nicht.

So werden gerade auf den Schlachtfeldern, auf denen Jihadisten ihr Unwesen treiben, viele Christen zum Opfer. Etwa im Irak, aus dem nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein die christliche Gemeinschaft weitgehend vertrieben worden ist – mit Ausnahme der Kurdenregion, in der viele Christen Zuflucht gefunden haben. Jihadisten beschimpften Christen als „Ungläubige“, als „Agenten“ des – christlichen – Westens und „Cousins der amerikanischen Besatzer“ und machten Jagd auf sie. Als Minderheit gerieten die Christen im irakischen Bürgerkrieg zwischen alle Fronten und wurden ein leichtes Opfer für Lösegelderpresser und Räuberbanden.

Ein ähnliches Schicksal droht ihnen nun auch in Syrien. Was als Aufstand gegen ein brutales Regime begann, nimmt immer mehr die Züge einer Auseinandersetzung zwischen Konfessionen an. Jihadistische Gruppen behaupten, Machthaber Bashar al-Assad, der der religiösen Minderheit der Alawiten angehört, wolle in Wahrheit Syriens sunnitische Muslime vernichten. Sie ziehen in den Krieg gegen ein „gottloses“ Regime und nehmen dabei neben Alawiten auch Christen ins Visier. Mit dem fatalen Ergebnis, dass sich viele Christen noch enger als bisher um Assad scharen.

Im Nahen Osten werden Minderheiten wie die Christen aber nicht nur von extremistischen Untergrundgruppen bedrängt. Sie geraten auch unter den Druck staatlicher Strukturen – etwa in Saudiarabien. Die Ibn-Saud-Familie hat als Verteidigerin der Wahhabismus ihren politischen Aufstieg bestritten. Und auch heute noch sehen sich die Saudis als Förderer dieser besonders dogmatischen Richtung des sunnitischen Islam.

Im Wiener Dialogzentrum, das die Saudis finanzieren, bietet man ihnen zwar eine Bühne für einen „Dialog der Religionen“. Im eigenen Land zeigt das Königshaus aber keine Dialogbereitschaft: Die Errichtung von Kirchen oder Synagogen bleibt verboten. An der Herrschaft der saudischen Monarchie darf nicht gerüttelt werden. Staatliche Allmacht wird – wie auch im schiitischen Iran – mit „Religion“ begründet.

Religionsführer müssen ihren Einfluss dafür nutzen, dass Religion nicht als totalitäre Ideologie missbraucht wird. Und dass politische Machtkämpfe nicht zu Konfessionskriegen werden – etwa in der Zentralafrikanischen Republik, wo sich Christen und Muslime im Ringen um Einfluss auf verschiedenen Seiten der Front wiederfinden. Ob jemand Muslim, Christ oder Jude ist, ob er sich einer anderen Konfessionen zugehörig fühlt oder nicht an Gott glaubt – das ist Teil der persönlichen Wahlfreiheit und Meinungsfreiheit. Der Staat hat darin nicht einzugreifen – schon gar nicht mit Gewalt. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Und der Schutz kleinerer religiöser Gruppen ist Minderheitenschutz. Auch darauf muss man im Umgang mit Ländern wie Saudiarabien oder Nordkorea immer wieder pochen.

E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2014)

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