Wie das "notwendige Übel" Heer benutzt und vergessen wird

Ein Jahr nach der Wehrpflicht-Volksbefragung sind die Bekenntnisse der Politiker zur Landesverteidigung längst vergessen.

Genau ein Jahr ist es her, dass das Bundesheer im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stand. Wer hat nicht aller kurz vor der Volksbefragung über die Wehrpflicht die Wichtigkeit der Landesverteidigung betont. Man konnte meinen, das Bundesheer sei der gesamten politischen Elite ein Herzensanliegen.

Und heute? Ein Jahr später hat das Heer wieder genau den Stellenwert, den es in Österreich in Wirklichkeit immer hatte: ein notwendiges Übel, stiefmütterlich behandelt und finanziell ausgehungert. Der Anteil der militärischen Ausgaben am BIP ist auf einem europäischen Tiefstpunkt, untertroffen nur noch von Luxemburg. Und jetzt muss weiter gespart werden: Das Verteidigungsressort bekam einen großen Brocken des Sparbedarfs der Regierung aufgebrummt. Wo bleibt da der Aufschrei des Bundeskanzlers, der uns noch vor einem Jahr erklärt hat, wie wichtig die Landesverteidigung ist? Warum setzt der Vizekanzler in seiner Funktion als Finanzminister genau diese Prioritäten? Nicht einmal der zuständige Verteidigungsminister wagt es, gegen die Kürzungspläne aufzubegehren.

Das überdurchschnittliche Sparvolumen beim Bundesheer hat natürlich eine gewisse Logik: Kürzt man das Bildungsbudget, gibt es sofort weniger Stützlehrer und weniger Stunden für Freigegenstände. Spart man beim Verkehrsressort, müssen Bauvorhaben verschoben werden. In beiden Fällen melden sich die Betroffenen sofort lautstark zu Wort, die Auswirkungen sind für viele sichtbar. Beim Bundesheer passiert vorerst einmal gar nichts. Man merkt von einer Landesverteidigung nichts, solange man sie nicht braucht. Wird eben das eine oder andere Gerät nicht angeschafft und der Dienstbetrieb noch mehr auf Sparflamme gefahren, als er es jetzt schon ist. Nur zur Illustration: Treibstoff ist bereits rationiert, mehr als 4000 Kilometer pro Jahr dürfen Fahrzeuge nicht zurücklegen. Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, an dem die Einsatzfähigkeit des Bundesheers nicht mehr gewährleistet ist. Und das könnte recht bald der Fall sein.

Es wäre jetzt zu kurz gegriffen, die Probleme des Bundesheers auf die aktuelle Budgetkürzung um 45 Millionen Euro zu reduzieren. In Wahrheit leidet das Heer darunter, dass es nie gelungen ist, die Umstellung von einer großen Milizarmee in der Zeit des Kalten Krieges auf eine moderne flexible Einsatztruppe zu schaffen. Das führt zu weitreichenden Unsinnigkeiten: Das Kaderpersonal – es gibt 16.000 Berufssoldaten – ist damit beschäftigt, große Verbände zu organisieren, die aber mangels einsatzbereiter Miliz – die Übungen sind abgeschafft – reine Schimäre sind. Und es muss jedes Jahr 22.000 Grundwehrdiener ausbilden, die nach Ende der Ausbildung abrüsten und nie wieder etwas mit dem Bundesheer zu tun haben. Welches private Unternehmen würde sich eine derartige Ressourcenvergeudung leisten?

Für echte Einsätze ist das derzeitige Kaderpersonal dagegen schon aufgrund der Altersstruktur nur zu einem geringen Teil geeignet. Schätzungen zufolge können gerade einmal 4000 auch in einen Einsatz geschickt werden. Dafür liegt der Anteil der Personalkosten schon bei 70Prozent, was dem Minister jede Möglichkeit nimmt, Akzente zu setzen.


Genau da muss eine Reform des Bundesheers ansetzen: Eine Armee ist eben kein normaler Betrieb, in dem die Altersstruktur der Bevölkerung abgebildet wird, sondern einer, der überwiegend jüngere Mitarbeiter benötigt. Soldaten auf Zeit müssen daher der Normalfall sein, eine Beamtenkarriere die Ausnahme. Das geht, wenn man die entsprechenden Anreize schafft: mehr Geld für die Zeitsoldaten und/oder das Anbieten von Beamtenlaufbahnen, die in anderen Bereichen – etwa bei der Polizei – fortgesetzt werden.

Probleme bestünden in der Umstellungsphase, die sicher etliche Jahre dauert, und im Umgang mit dem derzeitigen Personal. Aber auch dafür gibt es Lösungen. Der Verteidigungsminister allein kann so eine Reform nicht stemmen, dafür müsste das Thema Bundesheer auf der Agenda der Regierungsspitze ganz oben stehen. Doch ihr ist das Heer eben offenbar doch kein Herzensanliegen.

E-Mails an:martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2014)

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