Was Scherben lehren

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Die Demonstrationen gegen den Akademikerball sind für Wiener Verhältnisse extrem heftig ausgefallen. Welche Schlüsse für die Zukunft kann man aus der Protestnacht ziehen?

Es gibt Debatten, die kann man nur verlieren. Im Fall des Akademikerballs, weil die Spielregeln nichts anderes zulassen: Demnach ist jeder, der den Ball verteidigt, (extrem) „rechts“, wer ihn kritisiert (extrem) „links“, und wer sagt, dass man weder den einen noch den anderen die Bühne der Aufmerksamkeit bieten solle, bekommt auch sein Fett ab – als Beschwichtiger. Kurz: Mehr als Scheitern mit Anspruch war bei diesen Debatten bisher nicht drin.

Dennoch darf man über die Demo-Nacht nicht hinweggehen. Sie ist für Wiener Verhältnisse heftig ausgefallen: zwanzig Verletzte, eine Million Sachschaden. Und auch wenn Schaufenster-Einschlagen keine Botschaft außer Dummheit transportiert, muss man versuchen, aus den Scherben Lehren zu ziehen.

Die erste betrifft die offiziellen politischen Gegner des Balls bzw. die friedlichen Demonstranten. Sie müssen einsehen: Eine Ball-Demo ist kein Lichtermeer. Und sie müssen machen, was sie sonst von jenen auf der anderen Seite des politischen Spektrums fordern: sich von Gewalt, auch verbaler, distanzieren. Es darf nicht einmal den Anschein geben, linker Straßenkampf würde hierzulande romantisiert oder sei Demo-Folklore. Wien ist weder Hamburg noch Berlin – und das ist gut so. Gefordert sind hier die Grünen, denn immerhin ist die Demo-Homepage mit dem Spruch „Unseren Hass könnt ihr haben“ auf die Jungen Grünen registriert. Im „Presse“-Interview hatte der Klubchef der Wiener Grünen kürzlich gemeint: Der Spruch klinge „eher wie ein FPÖ-Plakat“. Fast lustig, aber halt kein Witz.

Falsch kalkuliert hat auch – das wäre Lehre Nummer zwei – die Polizei. Sie hat einen undankbaren Job – macht sie zu viel, ist sie ebenso schuld, als ob sie zu wenig unternimmt. Trotzdem müssen die organisatorischen Fehler des Abends analysiert werden. Überzogen war jedenfalls das ohnehin nicht exekutierte Vermummungsverbot an einem Winterabend für neun Bezirke. Auch die Ausdehnung der Sperrzone und der eingeschränkte Zugang für Journalisten war ein Fehlgriff: Ballgäste vor lästigen Fragen zu schützen ist nicht Aufgabe der Polizei.

Bleibt die dritte und letzte Lehre, die noch eine offene Frage ist: Soll der Ball in der Hofburg bleiben? Noch nie hat sich die Kosten-Nutzen-Rechnung so krass dargestellt. Ist es das Steuergeld, die Einschränkungen für ziemlich viele Bürger wert? Wäre es nicht praktischer, den Ball in einen (leichter zu sichernden) Außenbezirk zu verlegen? Verständliche Fragen. Aber auch, wenn es (wie bereits geschrieben) gute Gründe gibt, warum die symbolträchtige Hofburg für den Akademikerball, der eben mehr als bloß ein FPÖ-Ball ist, nicht der richtige Ort ist, sorgt diese Art der Abwägung für Unbehagen. Denn der Schutz von Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit darf keinen Preiszettel tragen. Wenn es zum Auszug kommt, sollte es nicht wegen der Ausschreitungen und der Kosten passieren, sondern aufgrund der richtigen Argumente. Für die FPÖ wäre der Auszug übrigens kein Einknicken: Nichts eignet sich besser, um den „Gegner“ schlecht aussehen zu lassen, als eine „großzügige“ Geste. Könnte man ja einmal ausprobieren.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

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