Schon die Physik sagt uns: Ohne Energie-Input kein Leben

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Ein Zurück zu Gesellschaftsformen, die mit deutlich weniger Energie auskommen, kann niemand ernsthaft wollen. Die Historie lehrt: Je mehr Energie verfügbar ist, umso höher kann sich die Zivilisation entwickeln.

Energie ist Leben. Klingt wie ein Werbespruch, aber schon das grundlegendste aller physikalischen Gesetze besagt, dass ein System ohne Energie-Input stagnieren wird. Ohne Power endet alles in einem thermodynamischen Gleichgewicht, im Wärmetod – auch alles Leben.

Eine der vordringlichsten Aufgaben in der Menschheitsgeschichte war und ist es daher, ausreichend Energie heranzuschaffen. Die Historie lehrt: Je mehr Energie verfügbar ist, umso höher kann sich die Zivilisation entwickeln. Darin ist auch einer der Hauptgründe zu sehen, warum Europa im 19. Jahrhundert die Weltherrschaft an sich reißen konnte – ohne Dampfschiffe oder Eisenbahnen wäre das unmöglich gewesen. Die Machtstrukturen der Welt hängen bis heute eng mit der Energieversorgung zusammen. Man muss gar nicht so weit zu gehen zu behaupten, dass um Energie Kriege geführt werden. Sicher ist aber: Die Weltpolitik würde anders aussehen, wären die Öl- und Gasvorkommen anders verteilt.

Der Energieverbrauch steigt rasant – allein schon deshalb, weil viele Schwellen- und Entwicklungsländer noch nicht den Lebensstandard von uns Europäern erreicht haben. Aber auch in den entwickelten Ländern wächst der Energiehunger. Immer mehr Menschen wird bewusster, dass es so nicht weitergehen kann. Egal, ob die Vorräte an fossilen Energieträgern nun in 20, 100 oder 300 Jahren zur Neige gehen mögen: In einer endlichen Welt ist kein unbegrenztes Wachstum möglich.

Es gibt zwei mögliche Antworten: In der einen Schiene wird versucht, neue Energiequellen verfügbar zu machen. Grundsätzlich ist nämlich Energie im Überfluss vorhanden: Die Sonne strahlt in wenigen Stunden so viel Energie auf die Erde, wie die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Dass die Nutzung dieses gigantischen Potenzials nicht einfach ist, zeigt etwa die intensive Debatte über Kosten und Nutzen einer Energiewende.

Eine zweite Stoßrichtung muss daher lauten: Die Menschheit muss die anhaltende Nachfragesteigerung nach Energie bremsen. Zentral sind dabei energiesparende Technologien – genauer gesagt: Techniken, mit denen die eingesetzte Energie effizienter genutzt wird. In dieser Hinsicht hat der Mensch bereits riesige Fortschritte gemacht. In Agrargesellschaften lag der Wirkungsgrad zwischen fünf und 15 Prozent, heute liegt er typischerweise bei 35 Prozent: Moderne Kraftwerke schaffen zwar bereits 60 Prozent und mehr, doch Automobile z.B. sind weiterhin „fahrende Öfen“, bei denen drei Viertel der eingesetzten Energie ungenutzt als Abwärme verpuffen.


Neue Technologien werden dank intensiver Forschung immer effizienter. Allerdings bleibt das erwünschte Resultat aus: Selbst in reichen Industriestaaten, die sich modernste Techniken leisten können, steigt der Energieverbrauch weiter an. Der Grund dafür liegt in der Natur des Menschen: Je weniger Energie für einen Prozess eingesetzt werden muss, umso kleiner wird die Energierechnung – und umso sorgloser geht man am Ende damit um. Man erhöht den Komfort, weil man ja glaubt, dass die Energiekosten niedriger sind.

Ein krasses Beispiel für diesen Rebound-Effekt: Automotoren sind heute viel effizienter als vor 20 Jahren; dennoch verbrauchen die Autos kaum weniger Sprit – denn die Effizienzsteigerung wurde nicht für eine Verbrauchsreduktion eingesetzt, sondern um die Motoren stärker, die Autos schwerer und luxuriöser zu machen. Drei-Liter- oder gar Ein-Liter-Autos sind technisch keine Hexerei, sie werden aber von der Masse der Autofahrer ganz einfach nicht gekauft.

Ergo: Solange es keine Mechanismen gibt, mit denen Vernunftgründe über die Psychologie obsiegen können, wird der Energiehunger nicht kleiner werden. Vielleicht, so fürchten manche Experten, müssen wir Menschen es auf die harte Tour lernen: Wenn Energie immer knapper wird, dann steigt ihr Preis – und irgendwann ist der herrschende Lebensstil einfach nicht mehr finanzierbar; dann bricht der Energiekonsum ein.

Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Denn ein Zurück zu Gesellschaftsformen, die mit deutlich weniger Energie auskommen – Bauern oder Jäger und Sammler –, kann niemand wollen.

E-Mails an:martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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