Es sind nicht nur Putins Spiele

OLYMPIA - Olympische Spiele 2014, Eroeffnungszeremonie
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Unser überlegener Blick auf Russland ist einer der aufgeklärten Citoyens des wohlstandsverwöhnten Westens. Als ob wir immer schon so gewesen wären.

Fernsehberichte, Radiosendungen, Zeitungsanalysen – sie alle, fast alle, waren in den vergangenen Wochen unterlegt mit einem negativen Unterton, wenn es um die Olympischen Spiele in Sotschi und Russland im Allgemeinen ging. Hier sprach der aufgeklärte, liberale Westbürger und sah dabei kopfschüttelnd auf das rückständige Russland herab.

Bis Anfang der 1970er-Jahre wurden Homosexuelle in Österreich eingesperrt. Der Nachfolgeparagraf 209, der sexuelle Beziehungen von Männern über 19 Jahren mit Männern unter 18 unter Strafe stellte, wurde überhaupt erst 2002 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. In Russland geht es heute – unter Anführungszeichen – nur um das Verbot von homosexueller „Propaganda“ bei Minderjährigen.

Österreich hatte da schon einige Jahrzehnte Demokratie hinter sich. Die Russen kannten bis 1991 – mit Ausnahme der kurzlebigen Übergangsregierung unter Lwow und Kerenski nach der Februarrevolution 1917 – nur zaristische und kommunistische Regime. Danach folgte eine Zeit des Chaos, in der sich die Gerisseneren durchsetzten. Wladimir Putin hat – bei all seinen Schattenseiten – das Land immerhin stabilisiert und zumindest versucht, so etwas wie einen Mittelstand zu schaffen. Was zum Teil gelungen ist – wie die russischen Touristenströme beweisen. Das sind nicht nur Oligarchen.

Die Schattenseiten sind freilich nicht zu übersehen: von zweifelhaften Prozessen gegen politische Gegner bis zur allgegenwärtigen Korruption. So soll die Hälfte des auf 40 Milliarden Euro angewachsenen Olympia-Budgets in Seitenkanäle abgeflossen sein. Wobei: In Sachen Korruption können wir auch ein wenig mitreden. Und bei uns kostet ein neuer Flughafen auch schon einmal das Doppelte.

Russland hat – leider – keine demokratische Tradition: ein autoritärer Zar, die orthodoxe Kirche, die bäuerliche Struktur, das Fehlen eines städtischen, unternehmerischen Bürgertums – die Gründe dafür sind vielfältig. Allerdings war Österreich nach dem reaktionären Zarenreich unter den früheren europäischen Großmächten der konservativste Staat – mit ebenso einflussreicher Kirche und rückständiger Wirtschaft.

Putins Spiele seien das nun, heißt es. Es sind aber nicht nur Putins Spiele. Es sind die Spiele der Russen, vieler jedenfalls. Die sich darauf freuen, sich der Welt zu präsentieren. Die mit dem neuen, viel gelobten Olympia-Skiareal um Rosa Chutor vielleicht auch Stolz und Selbstbewusstsein verbinden. Und wie meinte Michail Chodorkowski jüngst? „Man soll Millionen von Menschen ihr Fest des Sports nicht verderben.“ Bei uns hingegen machen Fotos aus Sotschi von unfertigen Sanitäranlagen die Runde.

Hätten wir uns gefreut, hätte Kärnten 2006 seine „Senza Confini“-Olympischen Spiele zugesprochen bekommen, wenn diese als „Haiders Spiele“ tituliert worden wären? Und dann auch noch von „antifaschistischen“ Kundgebungen unbedarfter Sportler und Fans begleitet worden wären?

Die russische Protestbewegung verdient allen Respekt. Aber wenn ausländische Aktivisten Olympia als Bühne zur Selbstdarstellung nützen, kann man davon ausgehen, dass das letzten Endes Wladimir Putins Regime nützt. Wir kennen Ähnliches von den EU-Sanktionen.

Es hat schon seinen Sinn, dass die Wettkampfstätten gemäß den IOC-Statuten nicht für politische Propaganda missbraucht werden dürfen. Und es tut vielleicht auch gut, wenn es politikfreie Zonen gibt, wenn Sportler nur Sportler und Fans nur Fans sein können. Dass alles politisch zu sein hat, war ja eines der dümmeren Postulate der 68er.

Wobei es naiv wäre anzunehmen, die Spiele wären gänzlich politikfrei. Bei den Siegerehrungen, auf den Tribünen, werden sie zu sehen sein, die Putins, eventuell auch die Faymanns. Aber eben nur in einer Nebenrolle. Die Hauptrolle sollte den Sportlern vorbehalten bleiben.

Wandel durch Annäherung – vielleicht funktioniert es diesmal: Olympia wird Russland der Welt näherbringen. Und es wird Russland die Welt näherbringen. Damit hätte Olympia seinen Zweck auch schon erfüllt. Egal, wie viele Medaillen Österreich macht.

E-Mails an:oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

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