Angst, Geld und Zeitgewinn: Warum Janukowitsch nachgab

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THEMENBILD: PROTESTE IN DER UKRAINE(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der ukrainische Präsident reagiert nur auf eines: Druck. Diesmal übten ihn EU und Oligarchen aus. Doch der Gegendruck aus Moskau kommt garantiert. Was die Einigung mit Janukowitsch wert ist, muss sich erst weisen.

Was die Einigung mit Janukowitsch wert ist, muss sich erst weisen. Der ukrainische Präsident hat schon vieles versprochen – und dann doch nicht eingehalten. Auf geduldigem Papier zumindest nimmt sich die Vereinbarung, die ihm die Außenminister Polens, Deutschlands und Frankreichs in einer beherzten Vermittlungsaktion abgerungen haben, wie eine vernünftige Lösung des Konflikts aus: Neuwahlen sollen noch in diesem Jahr die Machtfrage entscheiden, davor schon soll die Opposition an der Regierung beteiligt werden. Zudem kehrte die Ukraine am Freitag zur Verfassung von 2004 zurück, womit auch die Befugnisse des Präsidenten beschränkt wurden.

Damit sind die zentralen Forderungen der Opposition erfüllt. Doch viele der Demonstranten, die nun schon seit drei Monaten unter großen Gefahren und Entbehrungen auf dem Maidan-Platz ausharren, gaben sich zunächst nicht zufrieden: Sie trauen Janukowitsch nicht mehr über den Weg und fordern dessen sofortigen Rücktritt. Am Freitag war lange unklar, ob die Oppositionsführer Vitali Klitschko, Arsenij Jazenjuk und Oleg Tjagnibok über genug Autorität verfügen, um die Maidan-Aktivisten von dem Kompromiss zu überzeugen. Doch am Ende gelang die Übung. Und Überzeugungsarbeit direkt in der Kampfzone versuchten dabei auch Frank-Walter Steinmeier und Radek Sikorski, die Chefdiplomaten Deutschlands und Polens, zu leisten. Ihr französischer Amtskollege, Laurent Fabius, der Dritte im Bunde der Kiewer EU-Troika, war – zu seinem Leidwesen vermutlich – bereits nach China unterwegs.

Der Einsatz der drei ist bemerkenswert. Wann hat die europäische Außenpolitik davor einen derart dynamischen Eindruck hinterlassen? Steinmeier, Sikorski und Fabius handelten schnell, direkt und unbürokratisch. Statt in Brüssel über Resolutionen zu debattieren, warfen sie sich mitten ins Kiewer Geschehen. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sich auf dem Maidan-Platz die Leichen türmten und die Ukraine an den Rand des Bürgerkriegs driftete. Das Trio hat gezeigt, wozu die EU imstande ist, wenn sie nur will.

In den Wochen davor freilich hatte die Union keine gute Figur gemacht. Die Pro-Europäer in der Ukraine mussten sich im Stich gelassen fühlen. Die EU wartete viel zu lang, bis sie Janukowitsch offen Sanktionen androhte. Die Außenminister handelten erst, als in der Ukraine Dutzende Menschen getötet wurden.

Spät, aber doch erkannten sie, dass Janukowitsch nur auf eines reagiert: auf Druck. Erst als der ukrainische Präsident und seine Clique ernsthaft um ihre Bankkonten im Ausland fürchten mussten, begannen sie beizudrehen. Im Hintergrund hat die EU schon seit Wochen die ukrainischen Oligarchen bearbeitet, die alle einen Gutteil ihres Geld außerhalb der Landesgrenzen, darunter auch in Österreich, geparkt haben. Es war kein Zufall, dass sie zuletzt die ukrainische Staatsgewalt öffentlich zur Mäßigung aufriefen. Und vermutlich zogen die begüterten Herren auch ihre Drähte, damit sich einzelne Abgeordnete der regierenden Partei der Regionen von Janukowitsch abwandten. Die Bastionen des Präsidenten im Parlament und auch in der Armee begannen zu wanken. Auch deshalb lenkte er ein.


Dabei war es nicht ungeschickt, dass ihm die EU bis zuletzt einen gewissen Spielraum ließ. Es war Kalkül, Janukowitsch zunächst nicht auf die Sanktionenliste zu setzen. Man wollte den Ansprechpartner nicht verlieren.

Druck auf den ukrainischen Staatschef hatte auch Russland ausgeübt. Nur deshalb, und weil er schnelles russisches Geld für sein bankrottes Land brauchte, lehnte Janukowitsch das EU-Assoziierungsabkommen im November in letzter Sekunde ab und löste eine schwere Krise aus. Moskau wird auch jetzt nicht klein beigeben: Die Ukrainer können sich auf Handelsrestriktionen und deutlich höhere Gaspreise einstellen, wenn sie sich bei der nächsten Wahl für Klitschko und Co. entscheiden sollten. Möglich erscheint auch, dass die Russen eine Spaltung des Landes forcieren, um sich wenigstens den Osten und die Krim zu sichern. Auf die Ukraine kommen gewaltige Zerreißproben zu. Sie wird langfristige Unterstützung der EU brauchen.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2014)

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