Obamas politische Ohnmacht: Die schwachen Optionen der USA

U.S. President Barack Obama addresses the winter meeting of the Democratic National Committee in Washington
U.S. President Barack Obama addresses the winter meeting of the Democratic National Committee in Washington(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Dem US-Präsidenten stehen in der Krim-Krise nur symbolische Mittel zur Verfügung. Putin weiß das: Ohne Moskau geht nichts im Iran und in Syrien.

Im Weißen Haus jubelte der oberste Sportfreund des Landes: Via Twitter gratulierte Barack Obama den US-Eishockey-Cracks zum Triumph im Prestigeduell am Schwarzen Meer. Zweieinhalb Wochen ist es her, dass die USA dem Erzrvialen aus Russland die letzte empfindliche Niederlage zufügten – auf deren Territorium, auf dem Eis des Bolschoi-Doms in Sotschi, obendrein vor den Augen Wladimir Putins. In der Vorrunde des olympischen Eishockey-Turniers musste der Kreml-Chef und Mastermind der Winterspiele unter Palmen mitansehen, wie die US-Boys die Sbornaja, das russische Nationalteam, nach der Verlängerung in einem packenden Penaltyschießen in die Knie zwang. US-Star T. J. Oshie trieb den russischen Goalie mit seinen Tricks zur Verzweiflung. Am Ende zählte der Erfolg allerdings nichts: Beide Mannschaften scheiterten im Kampf um Edelmetall.

In der Politik gibt es so etwas wie eine Nachspielzeit nicht, auch kein Penaltyschießen, das zwingend eine Entscheidung herbeiführt – und schon gar nicht stehen US-Präsident Obama in der Krim-Krise die Finten eines T. J. Oshie zur Verfügung: links antäuschen, rechts schießen. „Soft Power“, die Zauberformel der US-Diplomatie der Clinton- und Obama-Ära, beißt beim gelernten KGB-Agenten Putin auf Granit. Im Machtkampf um die Krim, dies musste der US-Präsident nicht zuletzt in einem 90-minütigen Telefonat mit dem russischen Präsidenten am Wochenende einsehen, hat der Kreml-Herr die Trümpfe in der Hand.


Dabei sparten Obama und sein Außenminister, John Kerry, nicht mit harter Rhetorik. Kerry bezeichnete Putin als Mann des 19. Jahrhunderts – und zog so eine Analogie zum Krim-Krieg vor rund 160 Jahren, als die Großmächte auf der Halbinsel im Süden des Zarenreichs aufmarschierten, um die Einflusssphäre des Kremls in Südosteuropa einzudämmen. Washingtons Chefdiplomat, der heute die aufgewühlte Seelenlage in der Ukraine sondieren will, drohte gar mit einem Ausschluss Russlands aus dem Gremium der G8-Staaten, der wichtigsten Industrienationen der Welt. Um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, hat der Westen in einer ersten Maßnahme die Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel in Sotschi im Juni vorerst storniert. Keine Frage, eine allfällige Absage des G8-Gipfels im einst von Stalin geschätzten Schwarzmeerkurort am Fuß des Kaukasus und gar ein symbolträchtiger Ausschluss würden den Nationalstolz und die Großmannssucht Putins treffen, sein bei Olympia aufpoliertes Image ramponieren. Im Zug der weltweiten Finanzkrise haben die Exklusivität und Bedeutung der G8 indes ohnehin schwer gelitten, Putin und Russland könnten sicherlich auch ohne die G8-Partnerschaft gut leben. Wobei der Westen in der G8-Frage gespalten ist. So plädierte Frank-Walter Steinmeier, der deutsche Außenminister, dafür, die Gesprächskanäle zu Moskau nicht ganz zu schließen.

Sanktionen wie die Einschränkung von Visa oder Kontosperren für russische Bürger sind nur vage Optionen. Eine militärische Intervention des Westens gilt nahezu als ausgeschlossen: Niemand hat Lust auf eine kriegerische Konfrontation auf der Krim. Angesichts der Überstrapazierung in zwei Kriegen sind die Kapazitäten der USA limitiert – erst recht, da die Obama-Regierung den Streitkräften zum Entsetzen vieler republikanischer Falken gerade einen vehementen Sparkurs verordnet hat.


All dies spielt Wladimir Putin in die Hände. Sein größtes Atout, dies hat er im Vorjahr eindrucksvoll vorgeführt, liegt aber in der Außenpolitik. Ohne ein Machtwort Moskaus bleiben die Fronten im Iran und in Syrien völlig verhärtet, so brachte erst der Druck Russlands die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. In schwachen Optionen, von Appellen an die Vernunft bis zu leeren Drohungen, erschöpft sich Obamas Instrumentarium der Ohnmacht.

Die Georgien-Krise 2008, die Abspaltung Abchasiens und Südossetiens unter russischer Ägide, resultierte aus einer Renaissance der Rhetorik des Kalten Kriegs – wie jetzt auch wieder. Nur, dass die Ukraine aus historischen Gründen und als Pufferzone Russlands mehr politische Brisanz birgt.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2014)

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