Wie eine friedliche Lösung der Krim-Krise aussehen könnte

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Mancher Journalist hat die Krim schon Putin zugeschlagen. Die EU erweist sich als standhafter. Ihre Sanktionsdrohung öffnet ein Fenster für Verhandlungen.

Russland ist schwächer, als das Macho-Gehabe seines Präsidenten vermuten lässt. Es gab gute Gründe, warum Wladimir Putin zum ersten Mal seit Ausbruch der Krim-Krise eine Pressekonferenz ansetzte: Er musste die Märkte beruhigen. Am Vortag war die Börse um zehn Prozent eingebrochen, und der Westen hatte ernsthafte Sanktionen angedroht. In seine breitbeinig vorgetragenen Äußerungen streute Putin deshalb auch Töne ein, die als Entspannungssignale gewertet werden können. Der Kreml-Chef zeigte sich offen für den deutschen Vorschlag, mit einer internationalen Kontaktgruppe nach einer Konfliktlösung zu suchen. Und er unterstrich, dass Russland auf der Krim militärische Gewalt nur als letztes Mittel einsetzen werde, wiewohl er diese Option ausdrücklich nicht vom Tisch nehmen wollte.

Putin spürt Gegendruck. Die Sanktionsdrohungen der USA und der EU zeigen Wirkung. Dadurch öffnet sich ein Zeitfenster bis Donnerstag. An diesem Tag wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs unter anderem über „gezielte Maßnahmen“ gegen Putin und dessen Umfeld entscheiden; das könnte zum Einfrieren russischer Auslandsvermögen führen. Die Amerikaner überlegen zudem, Einreiseverbote zu verhängen. Auch über einen Ausschluss Russlands aus den G8, den exklusiven Klub der weltweit größten Industrienationen, wird laut nachgedacht, ebenso über Handelsbeschränkungen. Der Westen führte Putin seinen kompletten Baukasten wirtschaftlicher und diplomatischer Folterwerkzeuge vor Augen. Kommen sie zur Anwendung, wären die Folgen für Russland schmerzhaft. Natürlich auch für den Westen selbst, zumal für Europa, das von Geschäften mit Russland profitiert und auf Gas aus dem Osten angewiesen ist, wenngleich im Frühling und mit vollen Speichern weniger als im tiefen Winter.

Prinzipientreue hat ihren Preis. Doch momentan scheint sich die härtere Gangart des Westens bezahlt zu machen. Das Ziel der EU ist klar formuliert: Aufrechterhaltung der territorialen Integrität der Ukraine und Rückkehr der russischen Soldaten auf der Krim in ihre Baracken. Europas politische Klasse erwies sich damit bisher als standfester denn so mancher Journalist, der die Krim schon großzügig Putin zugeschlagen hat. Es gibt keine Entschuldigung für Putins aggressives Verhalten. Die neue ukrainische Regierung machte keine Anstalten, die bis 2042 gesicherten Rechte der russischen Schwarzmeerflotte zu verletzen. Moskau indes hat mit seiner Krim-Intervention mehrfach das Völkerrecht verletzt. Die Schutzbehauptung, die russische Bevölkerung auf der Krim sei gefährdet, ist absurd. Kein einziger Übergriff ist dokumentiert.


Hohl klingt auch die Berufung Russlands auf das Selbstbestimmungsrecht, das es übrigens anderswo nicht gelten lässt. Eine Loslösung der Krim wäre schon ein gangbarer Weg, aber nur, wenn er zivilisiert eröffnet wird, in Absprache mit der Ukraine, so wie London und Schottland verfahren. Das Referendum aber, das Handlanger Moskaus nach einer Besetzung des Regionalparlaments auf der Krim kurzerhand für Ende März ausgerufen haben, entstammt dem Drehbuch einer Farce.

Appeasement steigert bekanntlich den Appetit des Aggressors. Das sollte man besser nicht tun bei jemandem, der den Zusammenbruch der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hat. Was nimmt sich Putin als Nächstes, wenn man ihn auf der Krim gewähren lässt?

Drängender ist momentan aber eine andere Frage: Wie könnte eine Lösung der Krim-Krise aussehen? Die EU hat die Parameter aufgezeigt, doch auch Putin muss ein gesichtswahrender Ausweg angeboten werden. Eine Möglichkeit: Die neue Regierung in Kiew verpflichtet sich, die Rechte der Russen auf der Krim zu wahren und garantiert die bestehende Autonomie der Halbinsel. Denkbar wäre auch ein Unabhängigkeitsreferendum, allerdings nur in beidseitigem Einverständnis und in ferner Zukunft, in zehn Jahren etwa. Dafür müsste sich Putin mit den neuen Machthabern in Kiew an den Tisch setzen, die er bisher nicht anerkennt.

Bleibt Putin jedoch auf Konfrontationskurs, zieht er Schaden auf sein Land und sich selbst. So oder so: Das Krim-Abenteuer wird zum Bumerang für ihn.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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