Die Wiener SPÖ im Aufmerksamkeitsloch

Mariahilfer Straße
Mariahilfer Straße Stanislav Jenis
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Für die Grünen könnte das Abenteuer Mariahilfer Straße zum Nullsummenspiel werden. Die SPÖ muss sich hingegen fragen, ob sie überhaupt eigene Ideen hat.

"Aufatmen" stand auf den Schildern, die die Wiener Grünen bei ihrem nächtlichen Freudentanz auf der Mariahilfer Straße hochhielten. Gemeint war zwar die städtische Luftqualität in der nun fixierten Fußgängerzone, aber ungewollt entpuppte man sich als sehr ehrlich. Denn ein Stoßseufzer beschreibt ganz gut, worum es Freitagnacht eigentlich ging: die Abwendung einer peinlichen Niederlage.

Wenn man Richtung Wien-Wahl 2015 blickt, könnte sich das Mariahilfer-Straßen-Abenteuer für die Grünen nämlich als Nullsummenspiel herausstellen: Die Kernwähler klatschen, aber andere Sympathisanten sind von den Grünen enttäuscht – durch die ungeschickte Umsetzung des Projekts, durch das taktische Zurechtzimmern von direkter Demokratie und durch falsche Prioritäten. Denn dass die Grünen 25 Millionen Euro in ein nicht dringend nötiges Prestigeprojekt im „Homeground“-Grätzel stecken, verstört nicht nur die Bewohner der Flächenbezirke. Dazu kommen noch ein paar demokratietechnische Ungereimtheiten: Straßenzüge könnten geöffnet werden, obwohl deren Bewohner in früheren Befragungen gegen eine Querung gestimmt haben. Außerdem: Müsste man, nähme man es genau, nicht jene Menschen, die gegen die Verkehrsberuhigung stimmten, zumindest bei deren Ausgestaltung mitreden lassen – z. B. punkto Rad fahren in der Fußgängerzone? Die unschönen Begleiterscheinungen des grünen Erfolgs werden bis 2015 nicht vergessen sein.

An dieses Datum denkt auch die SPÖ. Die steckt gerade in einer ambivalenten Situation. Einerseits ist man froh, dass der Koalitionspartner die Kurve gekriegt hat, denn was den Grünen schadet, schadet auch Rot-Grün, für das der Bürgermeister das österreichische Copyright beansprucht. Andererseits hat der Hype um die Mariahilfer Straße die Roten, die zum unbequemen Thema eine bequeme Distanz einhielten (mit Ausnahme von Renate Kaufmann, SPÖ-Bezirksvorsteherin von Mariahilf, die nun quasi wegen Erfolgs zurückgetreten ist), an einer empfindlichen Stelle getroffen: an einer Leerstelle. Denn während den Wienern glasklar ist, wofür die grüne Verkehrsstadträtin steht, gilt das für ihre roten Amtskollegen nur bedingt. Ulli Sima? Christian Oxonitsch? Michael Ludwig? Wann hat man zuletzt von denen gehört? Die SPÖ ist in Sachen Aufmerksamkeit in den Schatten des Juniorpartners getreten. Maria Vassilakou mag medial geprügelt worden sein, aber sie war präsent.

Das Profil der Wiener SPÖ wirkt dagegen unscharf. Was will sie? In Frieden die Stadt verwalten und die FPÖ verhindern? Gegen ihren wahren Feind, die Anziehungskraft des Nichtwählerlagers, wird das nicht helfen. Das überreizte Mariahilfer Theater hat gezeigt, wie sehr der SPÖ ein ähnlich markantes Projekt fehlt, eine „sexy Idee“, wie man das im schlechten Werber-Sprech der Achtzigerjahre nannte. Dass die Regierung eine Stadt recht professionell verwaltet, die doppelt so schnell wächst wie der Rest des Landes, wäre zwar eine Leistung, über die die SPÖ reden könnte. Aber das macht sie nicht, weil man im Rathaus bei dem Thema die Schweizer Alphörner hört. Die Betonung des Wachstums, das stark auf Zuwanderung beruht, würde die FPÖ auf einschlägige Gedanken bringen, befürchtet man. Schon mehrfach angekündigt hat die SPÖ, sich auf ihr Kernthema Wohnen zu stürzen, um das sich im Nationalratswahlkampf alle Parteien gestritten haben. Allerdings hat auch Vassilakou Besitzansprüche angemeldet – sie trat die Debatte ja einst mit der Forderung nach einer Sieben-Euro-Mietobergrenze los. Als Herrin der Stadtplanung fallen auch Grundlagen für den Wohnbau in ihre Kompetenz. Sollten sich Rot und Grün um das Thema matchen, wäre das brutal – mit klarem Ausgang. Denn rempeln kann die SPÖ noch immer besser. Viel besser als kreativ zu sein: Hier rächen sich die festgefahrenen Parteihierarchien und dass Störenfriede mit jahrzehntelang perfektioniertem Berufszynismus ruhiggestellt werden. Michael Häupl kommt keiner so schnell frech. Wenn man Ideen sucht, ist das ein ernsthaftes Problem.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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