Wenn die Angst die Härte diktiert

Werner Faymann
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Werner Faymanns neue Politik: Alles ist recht, Hauptsache, ein schwieriges Thema verschwindet aus den Medien. Wir wollen nur leider nicht mitspielen.

Werner Faymanns bisherige Strategie lautete stets: mit besonders ruhiger Hand, gesättigtem Boulevard und der dazugehörigen Angst, er könnte wieder hungrig und laut werden, regieren.

Stillstand nennen dies seine Kritiker. Politik nennt er es.
Das hat sich nun geändert. Boulevard und Angst sind als wahre Koalitionspartner zwar geblieben, aber sie – vor allem Letztere – diktieren Stakkato-Entscheidungen. Drei unterschiedliche Beispiele dieser „Und aus!“-Taktik der vergangenen Woche: Nach dem Bekanntwerden eines riesigen Datenlecks stoppt Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die international vergleichbaren Schultests.

Das hehre Motiv – Sorge um die Datensicherheit der Schüler – ist aber vielleicht nicht ganz so hehr, bedenkt man andere mögliche Auswirkungen: keine schlechten PISA-Tests für die Ministerin, keine Prüfung des bildungspolitischen goldenen Kalbs Neue Mittelschule.
Nach dem Bekanntwerden der dubiosen Nichtbuchführung im Burgtheater, absurden Bargeldzahlungen an Direktor beziehungsweise Regisseur Matthias Hartmann, die an Gebrauchtwagendeals erinnern, und dessen Nichtgeschäftsführerhaftung warf der zuständige Minister, Josef Ostermayer, den Mann kurzerhand hinaus. Diese Lektion in Leadership ist vielleicht nicht nur eine solche, sondern auch mit dem Kalkül passiert, mit der Fristlosen für einen deutschen Egomanen breiten Applaus zu bekommen und von der Verantwortung politischer Freunde wie Georg Springer ablenken zu können.

Am Freitag verkündete frühmorgens Michael Spindelegger die Entscheidung der Bundesregierung, die Hypo Alpe Adria keinesfalls in die Insolvenz zu schicken, sondern auf jeden Fall gläubigergerecht in einer sogenannten Anstalt, also einer Bad Bank mit staatlich finanzierten Krankenpflegern, abzuwickeln. Noch kurz davor hatte es vonseiten der ÖVP geheißen, man würde sich mit einer Entscheidung bis Ende März Zeit lassen. Und: Noch fehlten wichtige Einschätzungen, eine von vielen Experten befürwortete Pleite sei weiterhin eine Variante. 24 Stunden später und nach ungewöhnlich viel Aktivität Werner Faymanns ist alles anders. Was war passiert?

Schon seit Tagen und Wochen wiederholen SPÖ und die dazugehörigen Trommeln, dass jeder Tag ohne Entscheidung ein schlechter für den Steuerzahler sei. In den Jahren vor und knapp nach der Nationalratswahl hat man diese Wahrheit von der Seite nie gehört. Dass die Freundlichkeiten, die Werner Faymann beim Ministerrat seinem Koalitionspartner immer wieder sagt, Makulatur sind, wenn es um etwas Wichtiges geht, bewiesen die letzten Stunden. Michael Spindelegger bemerkte, dass die Macht des Finanzressorts doch begrenzt ist: Der SPÖ-dominierte Aufsichtsrat der Bank signalisierte subtil die Möglichkeit eines kollektiven Rücktritts und völliges Chaos – ungeordnete Insolvenz inklusive –, sollte Spindelegger nicht der Anstaltidee Ewald Nowotnys folgen. Die Folgen wären für Spindelegger noch mühsamer geworden als die kleine Regierungskrise wegen der Causa. Und genüsslich wurde da das Bild gemalt, wie wohl die Medien mit dem ÖVP-intern ohnehin schon taumelnden Vizekanzler umgehen würden.

Erpressung gehört zum politischen Geschäft, heißt es nicht nur in „House of Cards“. Seit dieser Woche wissen wir, dass die SPÖ ziemlich hart spielen kann. Aber sowohl in den Schulen als auch in der Vereinigte-Bühnen-Holding kann man die volle Wahrheit vielleicht einige Zeit lang ausblenden, auf den Bumerang Realität ist jedoch meistens Verlass.

Bei der Hypo Alpe Adria schaut die Lage aber ganz anders aus: Die Verwerfungen der letzten Tage zwischen SPÖ und ÖVP werden bleiben, egal, wer in welcher Partei zukünftig die Führung übernehmen wird. Denn die Nacht vom 13. auf den 14. März wird dem Land – zumindest auf den Seiten dieser Zeitung – noch lange in Erinnerung bleiben: Eine ehrliche, wenn auch möglicherweise sehr schmerzhafte Insolvenz wurde verworfen, die Steuerzahler müssen weiter bei einer jahrelang andauernden Abwicklung bangen und zahlen. Ein, zwei Milliarden plus/minus? Hauptsache, die Regierung kann sich wieder Zahnspangen und neuen AMS-Kursen widmen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2014)

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