Diese Sanktionen beeindrucken Wladimir Putin sicher nicht

Wladimir Putin, Krim
Wladimir Putin, Krim(c) APA/EPA/MIKHAIL KLIMENTYEV / RIA (MIKHAIL KLIMENTYEV / RIA NOVOSTI)
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Die EU hat nach dem Anschluss-Referendum auf der Krim pflichtschuldig Strafmaßnahmen verhängt. Russland wird deshalb sein Verhalten nicht ändern.

Vielleicht ist ja schon erstaunlich, dass Europa irgendeinen Finger gegen Russland rührt. Doch bei Licht betrachtet sind die Sanktionen der EU ähnlich furchteinflößend wie eine paar aufblasbare Plastikkrokodile im Kinderschwimmbecken. Ob nun acht prorussische Krim-Führer und 13 zweitrangige Politiker aus Russland nach Europa reisen und dort auf, möglicherweise ohnehin inexistente, Konten zugreifen dürfen oder nicht, wird das Kalkül des russischen Präsidenten kaum verändern. Jedenfalls werden diese „Strafen“ Wladimir Putin nicht davon abhalten, den Anschluss der Krim an Russland zu vollziehen. Das war auch gar nicht mehr Ziel des Beschlusses der EU-Außenminister. Jean Asselborn, mitteilsamer Chefdiplomat Luxemburgs, hat die Wahrheit ausgesprochen: Der Status quo ante auf der Krim werde sich auch mit schärfsten Sanktionen nicht mehr herstellen lassen.

Die EU schaut gebannt zu, wie sich Russland einen Teil des ukrainischen Territoriums einverleibt. Sie hat die Krim de facto aufgegeben. Ihre Strafmaßnahmen haben bloß symbolischen Wert. Von den vollmundigen Ankündigungen, dass Putin einen „schmerzhaften Preis“ für seinen Völkerrechtsbruch zahlen werde, ist nicht viel übrig geblieben. Kein einziger Politiker oder Militär aus der ersten Reihe wurde mit Sanktionen belegt, kein einziger Oligarch. Da war dann doch die Angst zu groß, einen Wirtschaftskrieg mit Russland zu riskieren. Folgerichtig zeigten am Montag in Moskau die Aktienkurse nach oben.

Wer soll die EU ernst nehmen, wenn sie nach dieser handzahmen Vorstellung mit harten Wirtschaftssanktionen droht, falls Russland seine Annexionstour im Osten der Ukraine fortsetzt? Die USA setzten wenigstens Vizepremier Dmitrij Rogosin sowie die Putin-Berater Wladislaw Surkin und Sergej Glasjew auf ihre Liste. Doch auch diese Geste verschreckt wohl niemanden. Es fehlt der ökonomische Stachel.

Putin wird sich kurz schütteln und seinen Triumph genießen. Wenn ihm der Erfolg nicht in den Kopf gestiegen ist, streift er den Gewinn ein und setzt sich an den Verhandlungstisch. Auf der Krim sind immer noch 10.000 ukrainische Soldaten stationiert. Die Waffenruhe, die Russland bis Freitag gewährt, liest sich eher wie ein Ultimatum: Bis dahin muss die ukrainische Armee abgezogen sein. Was, wenn sie dies nicht macht und ihrer ursächlichen Aufgabe nachkommt, ukrainisches Territorium zu verteidigen? Auch wenn sich jetzt die Blicke Richtung Ostukraine richten, bleibt die Situation auf der Krim gefährlich. Ein Schusswechsel genügt, um einen Krieg auszulösen. Entschärft werden kann die Krise letztlich nur durch direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine. Und sobald dieser Dialog eröffnet ist, sollte er über die Krim hinaus erweitert werden und sowohl die EU als auch die USA einbeziehen.


In einem ersten Schritt müsste sich Russland dazu bekennen, Grenzen zu achten. Kiew eine Neutralisierung aufzuzwingen, wie das Moskau vorschlägt, kann jedoch nicht am Beginn solcher Verhandlungen stehen. Der Ukraine muss, so wie jedem anderen Staat, zugestanden werden, frei zu entscheiden, welchem Staatenbund und welcher Allianz sie beitreten will. Man kann auch nicht verlangen, dass die Ukraine ohne Weiteres einen Teil ihres Gebiets aufgibt. Eine Lösung könnte zum jetzigen Zeitpunkt immer noch darin bestehen, der Krim einen Sonderstatus zu verleihen.

Legal wäre die Sezession der Krim ohnehin nur dann, würde das Referendum wiederholt werden und kämen die Ukraine und Russland davor überein, dessen Ergebnis zu akzeptieren. Doch das wird ein frommer Wunsch bleiben, angesichts des selektiven russischen Umgangs mit dem Völker- und Selbstbestimmungsrecht. Außerdem relativiert sich die Frage der internationalen Anerkennung der Sezession, sobald sich Russland das Gebiet auch formal unter den Nagel gerissen und neue Grenzen gezogen hat. Dem russischen Staat wird die Welt die Anerkennung wohl kaum entziehen.

Eines ist klar: Die jetzigen Sanktionen kratzen den Kreml-Herrscher nicht. Da müsste der Westen schon andere Saiten aufziehen. Mehr denn je stellt sich jedoch die Frage, ob die USA und Europa in der momentanen politischen Besetzung dazu überhaupt in der Lage wären.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2014)

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