100 Tage Verständnislosigkeit

Michael Spindelegger und Werner Faymann
Michael Spindelegger und Werner Faymann(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Die Regierung ist so schlecht wie ihre Parteien: Warum werden nicht endlich die Personalentscheidungen gefällt und damit die inneren Blockaden gelöst?

Medien und Politik? Eine sehr schwierige Beziehung. Noch selten zuvor waren das Unverständnis und die Empörung auf beiden Seiten so groß, ohne dass wirklich etwas passiert wäre. Natürlich ist sehr wohl viel passiert: 100 Tage lang ist die Regierung im Amt. Sie musste ein Budgetloch vermessen, das sie erst entdecken konnte, nachdem ihre erste Legislaturperiode zu Ende gegangen war. Michael Spindelegger und die Regierung übernahmen auch das Kärntner Erbe der Hypo Alpe Adria, dessen sich Maria Fekter entschlagen hat. Neben den Milliarden, die wir noch für dieses Fiasko werden aufbringen müssen, machen sich andere Vorhaben und Sparpläne ohnehin wie Schlumpfhausen-Politik aus. Eine gewagte These: Selbst wenn es keine Hypo Alpe Adria gäbe, würden Werner Faymann und seine Regierung wenig Lob und viel Kritik bekommen. Und der Kanzler und seine Regierungsmitglieder würden sich deswegen still, aber doch echauffieren. Stillstand, Ängstlichkeit und das Regieren nach Umfragen oder der Befindlichkeit von Boulevard-Journalisten würden auch ohne Kärntner FPÖ-Hinterlassenschaft als Vorwurf in vielen Medien formuliert werden.

Ist ein Neuanfang da noch möglich? Haben Werner Faymann und Michael Spindelegger überhaupt noch eine Chance, die Verliererstraße zu verlassen? Ja, aber nur mit einer Teilkapitulation. In beiden Parteien ist die Situation ähnlich: Die Länderorganisationen begehren auf, die Unzufriedenheit an der Basis und unter den Funktionären ist enorm. Aber während in der ÖVP Disziplinlosigkeit und die Interview-Eitelkeit dafür sorgen, dass jede Bezirksfunktionärin den Parteichef kritisieren kann, wird in der SPÖ – im Vergleich zur ÖVP handelt es sich um eine echte politische Partei – so lang geschwiegen, bis ein Nachfolger von Faymann eine potenzielle Mehrheit hat. Der andere Unterschied: In der SPÖ gibt es de facto nur Macht in Wien und im Bund, in der ÖVP hingegen überall Macht, nur nicht in Wien und im Bund. Beide Herren sollten als letzte Chance versuchen, intern die wichtigsten personellen Weichenstellungen vorzunehmen: Wer wird die Parteien in die nächste Wahl führen, die vielleicht früher kommt, als man denkt? Die Rollen Kanzlerkandidat und Parteichef könnten getrennt werden: Werner Faymann hat mit Josef Ostermayer jemanden an der Seite, der scheinbar unlösbare Probleme zum Nutzen der SPÖ deichselt, Michael Spindelegger hat Sebastian Kurz, der einen Wahlkampf gewinnen könnte und keine Angst vor den Neos haben müsste.

Dann wäre da noch die UHBP-Frage: Wer geht in den Präsidentschaftswahlkampf? Schickt die ÖVP Erwin Pröll, wäre das fast eine Erleichterung für die Partei. Solange die Entscheidung nicht fixiert (oder abgesagt) ist, wagt kein Schwarzer einen großen Schritt. Und daher werfen sogar die Parteizwerge dieser Tage lange Schatten. Die SPÖ soll Rudolf Hundstorfer nominieren, wenn ihr am Grüß-Gott-August-Amt so viel liegt. (Und richtig, man könnte es auch anders anlegen.) Tritt der Sozialminister aus Wien an, würde sich auf der größten SPÖ-Baustelle etwas tun: In Wien wird sich in Michael Häupls Nachfolge-Mikado irgendwann irgendwer rühren müssen.

Und nein, eine neue Abspaltung der Wiener ÖVP wird zwar Unterhaltung für uns Journalisten bringen, aber Neos für Arme bringen noch keine neue Erhard-Busek-Ära, würde diese Gruppe auch von Jungdenkern wie Harald Mahrer angeführt. Und sollte in Zukunft jeder, der kein Mandat auf der ÖVP-Liste bekommt, eine eigene Partei gründen, wird es noch sehr italienisch. In der ÖVP sollten spätestens jetzt die Alarmglocken läuten. Aber vielleicht hält man sie schon für das Sterbeglöcklein.

Ein bisschen Bewegung würde aber nicht nur der Stadt, sondern dem ganzen Land politisch guttun. Es sei denn, man beobachtet weiter fasziniert, wie mit Ausnahme von Werner Kogler eine ganze Opposition sich regungslos fürchtet, irgendwann selbst Regierungsverantwortung übernehmen zu müssen.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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