Zwischen Politmillionären und Möchtegern-Alleinherrschern

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Die Präsidentenwahl in der Slowakei war prototypisch für die bestimmenden Strömungen Osteuropas: finanzstarke Quereinsteiger und Machtmonopolisten.

Man muss es ja nicht gleich wie ein Kommentator in Bratislava „Hinrichtung“ nennen. Aber die Wähler im Nachbarland haben am Wochenende mit unerwarteter Deutlichkeit erklärt, wen sie definitiv nicht als Präsidenten wollen: Premier Robert Fico. Sie haben dem, den sie so gut wie keinen anderen Politiker kennen, eine schallende Ohrfeige erteilt, die fast noch im nahen Wien zu hören war. Und sie haben dem, der ihnen so wenig wie dem Ausland bekannt ist, einen unglaublichen Vertrauensvorschuss gegeben: dem Millionär und Wohltäter Andrej Kiska.

Das Ergebnis lässt mit gemischten Gefühlen zurück, und das hat recht wenig mit der Person Kiskas zu tun. Einerseits zeugt es von demokratiehygienischer Sensibilität, dass die Slowaken einer Monopolisierung der Macht durch Fico und seine seit 2012 allein regierende sozialdemokratisch bis linkspopulistische Partei einen Riegel vorschoben. Ficos Spiel war nur zu durchschaubar: die Schalthebel der Macht, die er als Premier zu bedienen gewohnt war, gegen das weniger einflussreiche Präsidentenamt einzutauschen, um über einen von ihm gesteuerten Marionettenpremier erst recht die Politpuppen tanzen zu lassen, wie es ihm beliebt. In der Smer ist er schließlich der unumschränkte Boss, dem es wohl niemand abgenommen hat, von einem Tag auf den anderen die Lust am Regieren verloren zu haben.

Andererseits: Dass ein Politgreenhorn mit solch deutlicher Mehrheit ins höchste Staatsamt gehievt wird, ist geradezu ein Aufschrei. Man hat genug von den Politikern hergebrachten Typs, man erwartet sich von dieser Kaste nichts mehr, und wenn die Chance auf etwas radikal anderes besteht, nimmt man diese Chance wahr, auch wenn man als Wähler im konkreten Fall Kiska kaum weiß, worauf man sich da eigentlich eingelassen hat.

Dieses Phänomen der Politikerverdrossenheit ist zwar auch in Westeuropa bekannt (siehe etwa den Antipolitiker par excellence, Beppe Grillo), es breitet sich aber rasant auch in jenen Ländern im Osten und Südosten Europas aus, die erst seit einem Vierteljahrhundert demokratische Wahlen genießen. Und oft sind es (hier führt eine Linie zu Silvio Berlusconi) Geschäftsleute, die sich zu Politikern berufen fühlen: Andrej Babiš in Tschechien (Milliardär, Parteigründer und Vizepremier), Petro Poroschenko in der Ukraine (Milliardär, Ex-Minister und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat) oder jetzt Kiska in der Slowakei.

Doch, siehe Silvio B., sind es eben nicht immer hehre Motive, die dahinterstehen. Und wer glaubt, dass der im persönlichen Gespräch besonnen und vernünftig wirkende Poroschenko seine laut „Forbes“ 1,3 Milliarden Dollar bei seinem Lavieren zwischen den politischen Lagern nicht im Hinterkopf hat, der hält Julia Timoschenko auch für eine ukrainische Ausgabe von Mutter Teresa.


Um nicht falsch verstanden zu werden: Dass jemand über Reichtum verfügt, ist kein Hinderungsgrund, ein anständiger und/oder guter Politiker zu sein, und dass die Wähler den Fähigkeiten eines Menschen Vertrauen entgegenbringen, der es zu etwas gebracht hat, ist nachvollziehbar. Von diesem Bonus hätte auch Frank Stronach mehr profitieren können, hätte er nicht mit solcher Lust der Selbstdemontage gefrönt.

Die slowakische Wahl war ein Duell, das proto- bzw. idealtypisch für die zwei markanten Strömungen im heutigen Osteuropa ist: hier die finanzstarken Quereinsteiger, dort die Machtmonopolisierer (in Ungarn herrscht Viktor Orbán seit 2010 mit Allmachtsattitüde, in Serbien liegt alle Gewalt künftig bei Leuten, die ihr Handwerk unter bzw. bei Milošević gelernt haben, in Rumänien hat Victor Ponta versucht, auf so unsaubere wie brachiale Weise alle Hebel in die Hand zu nehmen). Mit diesen Strömungen fertigzuwerden ist die große Herausforderung der immer noch jungen Demokratien.

E-Mails an:helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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