Ein unmoralischer Vorschlag für die Krim

ITAR TASS SEVASTOPOL CRIMEA RUSSIA MARCH 23 2014 Men of Crimean self defense squads walk with
ITAR TASS SEVASTOPOL CRIMEA RUSSIA MARCH 23 2014 Men of Crimean self defense squads walk with(c) imago/ITAR-TASS (imago stock&people)
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Teil einer Ukraine-Lösung könnte es sein, das Krim-Referendum über den Anschluss an Russland zu wiederholen, allerdings nur, wenn Kiew einverstanden ist und die UNO die Abstimmung überwacht.

Die Krim-Krise hat sich entspannt. Russland und der Westen verharren in einer Pattstellung. Dazwischen eingeklemmt, versucht die neue ukrainische Regierung, das Land zusammenzuhalten und vor dem Bankrott zu bewahren. Die EU und die USA konzentrieren sich darauf, Schlimmeres zu verhindern und Moskau unter Androhung harter Wirtschaftssanktionen davon abzuhalten, die postsowjetische Annexionstour in der Ostukraine oder in Transnistrien fortzusetzen.

Entwarnung will zwar niemand geben, die Staatskanzleien denken jedoch bereits über Auswege aus der Krise nach. Denn ewig, darüber sind sich fast alle einig, soll die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen nicht andauern. Das kostet beide Seiten zu viel, sicherheitspolitisch und wirtschaftlich. Russland benötigt Investoren aus dem Westen, Europa das russische Gas, und die USA könnten die Kooperation Putins in Syrien, im Iran oder auch in Nordkorea ganz gut gebrauchen.

Wie also kommt man aus dem Schlamassel heraus? Insgesamt geht es darum, eine dauerhafte Lösung zu finden, die für Russland, den Westen und vor allem für die Ukrainer akzeptabel ist. Einige Ideen liegen auf dem Tisch, lanciert erfreulicherweise auch vom österreichischen Außenamt: Gesucht wird ein Modus, der es der Ukraine gemäß ihrer geografischen, ethnischen und wirtschaftlichen Zwitterlage erlaubt, sowohl mit Europa als auch mit Russland verbunden zu bleiben. Ein Vehikel dafür könnte die militärische Bündnisfreiheit sein, kombiniert mit voller außen- und wirtschaftspolitischer Handlungsfreiheit. Denn eines muss allen Nachbarn klar sein: Die Ukraine ist ein souveräner Staat und kein willenloses Satellitengebilde, über das andere verfügen können.

Die Krim wollen jetzt am liebsten viele vergessen. Doch auch für die Schwarzmeer-Halbinsel sollte eine Formel gefunden werden. Den Territorialstreit einfach einzufrieren, könnte sich früher oder später rächen. Man kennt das aus Nordirland, Nordzypern oder auch dem Nahen Osten. Besser wäre es, die Krim-Krux gleich aus dem Weg zu räumen. Zu erwarten, dass Russland die Halbinsel freiwillig oder auch unter Zwang zurückgibt, wäre naiv. Einen solchen Gesichtsverlust wird kein russischer Präsident dulden. Andererseits hat die internationale Gemeinschaft keinen Zweifel daran gelassen, dass die Annexion der Krim einen inakzeptablen Völkerrechtsbruch darstellt.

Ein Kompromiss könnte sein, das Referendum auf der Krim in ein paar Monaten zu wiederholen, allerdings unter Aufsicht der UNO und mit Zustimmung der ukrainischen Regierung, die sich dazu verpflichten müsste, das Resultat anzuerkennen. Und da läge auch der Haken. Denn das Ergebnis bliebe wohl gleich: Die Bewohner der Krim würden sich wieder für Russland entscheiden. Der neue Status quo, der ohnehin kaum zu ändern ist, wäre jedoch legalisiert.

Ob sich Europa auf ein zweites Krim-Referendum einlässt, ist freilich zweifelhaft. Wer zwischen Spanien und Rumänien will schon die Pandorabüchse des Selbstbestimmungrechts öffnen? Letztlich wird die Krim wohl im russischen Gefrierfach landen. Einen Versuch wäre es jedoch wert.



christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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