Der Nutznießer der angeblichen Umvolkung

(c) Clemens Fabry
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Andreas Mölzer versucht sich als Wahlhelfer von SPÖ und ÖVP. Es wäre mehr als traurig, wenn sein schlichtes Spiel aus Provokation und Empörung aufginge.

Interessanterweise entpuppen sich nicht selten gerade die vermeintlich harten Männer als wahre Mimosen. Auch bei Andreas Mölzer ist das Glaskinn ausgeprägter als der Schmiss. Am Montag jammerte er im „Standard“ über die „Menschenhatz“ gegen ihn. Einmal mehr inszeniert sich ein FPÖ-Politiker als Opfer. Nicht er und/oder seine „Zur Zeit“-Schreiber hätten Fußballer David Alaba wirklich angegriffen, sondern die üblichen Antifaschisten plus die politische Konkurrenz hätten es auf ihn, den armen Herrn Mölzer, abgesehen.

Vor wem hat das Menschenhatzopfer denn nun angeblich Angst? Vor den bemühten Aussendungen von SOS Mitmensch? Vor dem Zorn des Schriftstellers Michael Köhlmeier? Vor den Parteisekretären von SPÖ und ÖVP? Oder gar vor dem mächtigen Bundespräsidenten, der ihm nun als Letzter den Rücktritt nahelegt?

Verzeihung, Herr Mölzer, aber so schlicht funktioniert das einfach nicht mehr: Wir schreiben 2014. Sich hinzustellen, laut „Neger“ zu murmeln, die EU und ihre Struktur mit dem NS-Regime zu vergleichen, um sich dann in der Kritik zu suhlen und auf die Stimmen all jener zu hoffen, die in ihrer Kindheit das Wort „Neger“ als normal empfanden und deswegen heute kein schlechtes Gewissen haben, geht nicht mehr auf. Auch wenn wir in der „Presse“ gegen unsägliche Sprachpolizisten und deren ideologisch motivierte Biegung der Sprache schreiben, sitzen wir nicht in Ihrem Boot. Zumal es Ihnen genau darum geht: mit der Sprache zu provozieren, um politische Inhalte zu deponieren.

Es ist ein riesiger Unterschied, ob ein parteipolitisch unverdächtiger Pensionist „Neger“ sagt, oder Andreas Mölzer mit bedeutungsvoll süffisantem Grinsen. Ähnlich lustvoll spricht er mit dem „Standard“ von der „Ethnomorphose“. Auf die Nachfrage, ob er damit Umvolkung meint, meinte er fast geschmeichelt: „Ja, damit Sie nicht in Ohnmacht fallen. Ich kann aber auch den Terminus ,Umvolkung‘ in den Mund nehmen.“ Da fühlt sich jemand gerade sehr wohl in seiner Rolle in der „Menschenhatz“.

Das dürfte auch bei seinem montäglichen Nachmittagstermin der Fall gewesen sein: Genüsslich ließ Andreas Mölzer schon zuvor seinem Parteichef, Heinz-Christian Strache, über die Medien ausrichten, er habe weder Angst vor ihm noch die Absicht zurückzutreten. Leider wird auch Strache nicht mehr wagen, als Mölzer gut zuzureden, endlich ein wenig zu schweigen. Schon in der vergangenen Legislaturperiode schaffte es Strache nicht, den Rechts-außen-Flügel seiner Partei zu entmachten.

Nur als er Martin Graf in den Ruhestand schickte, sah es kurz so aus, als würde Strache zart, aber doch auf Regierungskurs schwenken. Sogar in der SPÖ wurde wieder laut darüber nachgedacht, ob man nicht doch irgendwann das Experiment Rot-Blau (Sinowatz, Steger) wiederholen sollte. Strache war plötzlich schmeichelweich und hocherfreut, die ÖVP, der bisher logischere mögliche FPÖ-Partner, wurde nervös. Es waren weniger die Mölzers als der EU-Kurs, der die Große Koalition wieder einbetonierte. Angesichts Mölzers Aussagen schicken Werner Faymann und Michael Spindelegger nun wohl dezente Stoßgebete zu ihren Heiligen, um doch wieder mit dem alten langweiligen Partner von Umfrage zu Umfrage torkeln zu können. Mölzer lenkt auch vom Hypo-Alpe-Adria-Desaster ab.

Um an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden, was Mölzer und seine Kameraden in jedem Fall versuchen werden, weil auch das ihre Taktik ist: Das Umschreiben alter Kinderbücher nervt enorm. Hinter Mölzers unsäglicher Umvolkung stehen echte Schwierigkeiten in den Schulen mancher Wiener Bezirke, in denen die Zahl der Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch im Gegensatz zu den Deutschkenntnissen steigt. Dies zu leugnen wäre fahrlässig. Und der soziale Umgang junger Männer mit türkischen Großeltern wird in Städten langsam, aber sicher ein ernstes Problem, wie in Deutschland die junge Polizistin Tania Kambouri gerade öffentlich gemacht hat, und die dafür zu Recht viel Zustimmung erhalten hat.

Diese Probleme will Herr Mölzer aber gar nicht lösen, er will sie für seine eigenen Zwecke nützen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2014)

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