Europa droht jetzt die Gefahr der österreichischen Fußball-Euphorie

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Der erfolgreiche Testballon Griechenlands auf den Kapitalmärkten ist ein Erfolg. Wird er jedoch euphorisch überbewertet, droht künftig ein Fiasko.

Es ist eine gute Nachricht. In diesem Punkt kann man den Politikern von Brüssel bis Athen eindeutig zustimmen. Griechenland hat sich deutlich früher als erwartet wieder auf den Kapitalmarkt getraut. Und die Emission der Staatsanleihen verlief wesentlich erfolgreicher, als Analysten noch kurz zuvor gemutmaßt hatten. Wollten beim letzten Gang auf die Kapitalmärkte im Jahr 2010 die Investoren nicht einmal die Hälfte der angebotenen Anleihen kaufen, gab es diesmal rund achtmal so viel Nachfrage wie Angebot.

Dass es sich bei der ganzen Aktion nur um eine Art Testballon mit einem relativ kleinen Emissionsvolumen gehandelt hat, muss die Freude, die v.a. in der griechischen Hauptstadt vorherrscht, nicht sofort wieder eintrüben. Und dass das Ganze just eineinhalb Monate vor der EU-Wahl stattfindet, bei der nicht nur der griechische Premier, Antonis Samaras, um das Überleben kämpft, sondern auch die Regierungen in Berlin oder Paris befürchten müssen, für ihre Krisenpolitik abgestraft zu werden, ist sicher auch ein riesengroßer Zufall.

Doch trotz aller Haare, die man in der Suppe finden kann, hat dieser Donnerstag eines gezeigt: Das Vertrauen in Europa und den Euro ist zu einem großen Teil wieder zurückgekommen. Die Zeiten, in denen die sehr ernste Lage Griechenlands mitunter in apokalyptische Ausmaße für die gesamte Eurozone übertrieben wurde, sind vorbei. Und das ist gut so.


Bedeutet das also, dass die Eurokrise und speziell jene in Griechenland ebenfalls vorbei ist? Die Antwort lautet definitiv Nein. Denn die absoluten Zahlen zeigen, dass Griechenland zwar nicht mehr mit offenem Herzen im Operationssaal liegt, aber immer noch auf der wirtschaftlichen Intensivstation, mit dem großen Risiko, einen Rückfall zu erleiden.

So beträgt der Schuldenberg trotz 240Milliarden Euro an Hilfen immer noch 172 Prozent der Wirtschaftsleistung. Deutlich mehr als in jedem anderen Land der Eurozone und weit über jenem Niveau, das Ökonomen als tragfähig bezeichnen. Hauptgrund für diese nach oben geschnellte Verschuldung ist das drastische Schrumpfen des BIPs seit sechs Jahren. Seither verlor Griechenland ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung. Um dies wieder aufzuholen, bedarf es wesentlich mehr als des Wachstums von 0,6 Prozent, das für heuer prognostiziert wird. Zudem werden angesichts von 28 Prozent Arbeitslosigkeit die Widerstände gegen den Reformkurs immer stärker. Das zeigt nicht zuletzt die Explosion einer Autobombe vor der Notenbank am Donnerstag.

Die Griechen haben es bislang also geschafft, ohne Euro-Austritt und mit Milliardenhilfen ihre Situation zumindest zu stabilisieren. Dass sie in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen stehen können, steht aber auch nach der erfolgreichen Emission in den Sternen. So prognostizierte die Troika erst jüngst in ihrem „realistischen Szenario“ einen Kapitalbedarf von bis zu 17 Milliarden Euro bis 2016. Und um das zu schaffen, dürften wohl im Rahmen eines dritten Hilfspakets erneut die Partner der Eurozone angepumpt werden müssen.

Diese stehen nun vor der Gefahr jenes Szenarios, das die heimische Nationalmannschaft jedesmal befällt, sobald ein Achtungserfolg gegen einen mittelschweren Gegner erzielt wurde: der totalen Selbstüberschätzung.

Während des Höhepunkts der Krise kam man auch in den sogenannten Südländern Europas zur politischen Übereinkunft, dass die weitgehende Konsolidierung der Haushalte ernsthaft angegangen werden müsse. Doch schon in den vergangenen Wochen gab es etwa aus Paris wieder andere Töne. Frankreich brauche mehr Zeit, so der neue Finanzminister, Michel Sapin. Und Italiens neuer Premier, Matteo Renzi, stellte zwar mutige Reformvorhaben vor, will gleichzeitig aber auch die italienischen Sparmaßnahmen aufweichen. Die Chance ist groß, dass in Rom schlussendlich nur Letzteres beschlossen wird.

Es ist zu hoffen, dass sich diese Indizien eines Kurswechsels nicht zur kollektiven Fehleinschätzung der Lage ausweiten. Dann könnte ein drittes Hilfspaket für Griechenland nämlich noch das geringste Problem sein.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

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