Die Länder bei der Schulfinanzierung stärker in die Pflicht zu nehmen war längst überfällig. Mit kopflosem Sparen allein ist es aber nicht getan.
Mitleid ist keine politische Kategorie. Wäre es eine, man müsste dieser Tage Mitleid mit Gabriele Heinisch-Hosek haben: Seit exakt fünf Monaten ist sie nun im Amt – exakt fünf Monate sollte es auch dauern, bis sie nun die erste lobenswerte Idee realisiert. Und ausgerechnet jetzt wird sich kaum jemand finden, bei dem sich die Bildungsministerin das kleine Lob, das ihr gebührt, auch abholen kann.
Denn die allgemeine (und berechtigte) Verärgerung über den kurzsichtigen Sparkurs, den Heinisch-Hosek im Schulsystem fährt, verstellt den Blick auf jene längst überfällige Maßnahme, die sie diese Woche per Verordnung auf den Weg gebracht hat: Die Ministerin will sich nicht länger gefallen lassen, dass die Länder die paktierten Stellenpläne bei den Lehrern regelmäßig überziehen – und dem Bund so jährlich Mehrkosten von 30 Millionen Euro bescheren. Künftig soll es dafür saftige Strafen geben. Das ist ein richtiger und konsequenter Schritt in einem Land, in dem sich die Bundesländer seit jeher darauf ausruhen, dass sie für ihre Ausgaben mangels Steuerhoheit schlicht nicht einstehen müssen.
Dass die Ministerin nicht den Dialog gesucht, sondern den Ländern einfach die Verordnung samt neuer Strafsätze zur Kenntnis gebracht hat, ist dabei nicht nur ein weiteres Zeichen ihres eher herben politischen Stils. Da die selbst nicht zimperlichen Landeschefs alle gelinderen erzieherischen Mittel gewohnheitsmäßig ignorieren, war es wohl auch ihre einzige Chance.
Der Eindruck, dessen man sich dennoch nicht ganz erwehren kann: Die Ministerin geht nicht aus Überzeugung, dass man mit Steuergeldern – die man noch dazu nicht einmal selbst eingehoben hat – sorgsam wirtschaften sollte, auf Konfrontation mit den Ländern. Sondern bloß, weil ihr nichts Besseres eingefallen ist, um ihre Sparziele zu erreichen.
Es ist nicht das erste Mal, dass einen dieses Gefühl beschleicht. Schon bisher schien der zentrale Unterschied zwischen Heinisch-Hosek und ihrer Amtsvorgängerin, Claudia Schmied, darin zu liegen, dass man Schmied zumindest noch vorwerfen konnte, die falschen politischen Konzepte zu verfolgen, während Heinisch-Hosek so etwas wie echte Konzepte gleich von vornherein ausgespart hat. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie nicht einmal zu Beginn ihrer Amtszeit das Interesse verspüren lässt, echte strukturelle Verbesserungen durchzubringen.
Denn wäre dem so, hätte sie die seltsam rückwärts gewandten Idee, die Klassenschülerzahl zu erhöhen, von vornherein ausgeschlossen. Und sie müsste sich – zusätzlich zu ihrer föderalen Disziplinierungsmaßnahme – jetzt auch die Frage stellen, wie die Finanzierung und vor allem die sinnvolle Zuteilung des Lehrpersonals rasch auf gesunde Beine gestellt werden können.
Dazu gehört vor allem das Kompetenzwirrwarr beseitigt, vor dessen Hintergrund Bund und Länder sich nun wieder in gegenseitigen Revanche-Fouls ergehen werden. Besonders unerträglich an dem Streit ist, dass er auf dem Rücken der betroffenen Schüler und Eltern ausgetragen wird. Und die Politik das auch noch billigend in Kauf nimmt.
Wie aber könnte eine Lösung aussehen? Die „Verländerung“ des Schulsystems, wie sie gestern bereits Oberösterreichs Landeschef Josef Pühringer gefordert hat, fällt – ohne die dazugehörige Steuerhoheit – als Variante aus. Schließlich wirkt, wer sich bisher nicht an budgetäre Vorgaben gehalten hat, nicht eben vertrauenswürdig.
Bleibt als einzige Option, den Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Dann könnte Heinisch-Hosek endlich beweisen, wie sie und ihre Ministerialbeamten es schaffen, ohne Überziehung des Stellenplans die nötige Versorgung – etwa den Erhalt kleinerer Schulen im ländlichen Raum und sonderpädagogische Förderung für alle, die sie benötigen – zu organisieren.
Und vielleicht bemerkt die Ministerin bei genauerer Beschäftigung mit der Schulrealität vor Ort zu guter Letzt ja sogar, dass die plumpen Kürzungen im Bildungsbudget, die nun anstehen, dem heimischen Schulsystem in dieser Form tatsächlich nicht zuzumuten sind. Dann könnte es das nächste Mal auch mit dem Lob klappen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)