Der Streit um die Vergangenheit gefährdet Ostasiens Zukunft

JAPAN US OBAMA =
JAPAN US OBAMA =(c) FRANCK ROBICHON / EPA / pictured (FRANCK ROBICHON)
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Solange Japan und China Disput um Geschichte für nationalistische Zwecke instrumentalisieren, ist eine Lösung territorialer Konflikte schwer vorstellbar.

Barack Obama trifft pünktlich zu Hanami, dem Kirschblütenfest, in Japan ein. Von zarten Frühlingsgefühlen dürfte der US-Präsident eher wenig zu spüren bekommen: Wenige Stunden bevor er bei dem wichtigsten US-Alliierten in Asien antraf, „feierten“ 146 japanische Abgeordnete am Dienstag in Tokio Hanami am Yasukuni-Schrein. Der Shinto-Schrein ist mehr als ein beliebter Ort, um die blühenden Kirschbäume zu betrachten. Dort werden unter anderem verurteilte Kriegsverbrecher geehrt, die während des Zweiten Weltkriegs für japanische Massaker in China und Korea verantwortlich waren. Vor dem Besuch der Parlamentarier hatte Premier Shinzo Abe höchstpersönlich dem Schrein einen als heilig geltenden Masakaki-Baum gespendet. Im Dezember war er selbst zum Schrein gepilgert.

Japans Spitzenpolitiker gießen damit im aufgeheizten politischen Klima Ostasiens weiter Öl ins Feuer: Denn nicht nur nähren diese Provokationen die nationalistische Rhetorik des KP-Regimes in Peking und tragen sie dazu bei, die Ressentiments gegen den Erzfeind Japan in der chinesischen Bevölkerung weiter zu schüren. Diese Gesten werden zu einer noch größeren Entfremdung zwischen Südkorea und Japan führen, deren Beziehungen derzeit so abgekühlt wie seit Jahrzehnten nicht mehr sind. Hauptgrund, so die Regierung in Seoul, sei die Verherrlichung der japanischen Kriegsvergangenheit durch Tokio.

Obama bekommt also gleich zu Beginn seiner Asien-Woche einen Eindruck davon, wie schwierig es für die USA ist, sich im Minenfeld Ostasien zu bewegen. Denn für die US-Regierung stellt diese neue Eiszeit zwischen Seoul und Tokio ein großes Hindernis dar: Sie erschweren Obamas Versuch, ein regionales Gegengewicht zur aufstrebenden Supermacht China zu schaffen. Südkorea und Japan sind die zwei wichtigsten Alliierten der USA in der Region, doch eine stärkere militärische Kooperation zwischen den beiden proamerikanischen Demokratien ist derzeit kaum denkbar. Mahnungen Washingtons an Japans Politiker, die Schreinbesuche zu unterlassen, haben bisher überhaupt nichts bewirkt: Abe braucht diese Provokation, um seine zunehmend patriotische Wählerschicht zu bedienen. Genauso wie Peking und Seoul den historischen Streit nützen, um durch das Feindbild Japan die Legitimation ihrer Regierungen zu stärken.

Beim Disput geht es also nicht so sehr um Geschichte, sondern vor allem um die Gegenwart. Genährt wird der Streit von der Renaissance asiatischer Nationalismen – bezeichnenderweise zu einem Zeitpunkt, zu dem das Kräftegleichgewicht sich wegen des aufstrebenden Chinas neu definiert. Dass dieser Konflikt jederzeit außer Kontrolle geraten könnte, wird bei den noch gefährlicheren Dimensionen der Krise deutlich: Täglich fordern einander chinesische und japanische Schiffe oder Flugzeuge nahe umstrittener, unbewohnter Inseln im Ostchinesischen Meer heraus. Im Südchinesischen Meer beansprucht China Territorien für sich – und ist unter anderem mit den Philippinen im Dauerkonflikt. In all diesen Regionen befinden sich wertvolle Ressourcen.

Die USA sind im Konflikt, auch wegen ihrer militärischen Präsenz, alles andere als unbeteiligte Dritte. Obamas Reise könnte eine Chance sein, die wegen der Konflikte im Nahen Osten und mit Russland vernachlässigte Asien-Politik neu zu beleben – durch eine Portion Pragmatismus. Zum einen, indem Obama wirtschaftliche Zusammenarbeit fördert (von der auch die USA profitieren würden): etwa durch die schnelle Umsetzung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), eines Freihandelspakts zwischen einem Dutzend Ländern.

Dies würde Beziehungen zwischen Korea und Japan erneut stärken und langfristig China dazu bewegen, sich der Freihandelszone anzunähern. Tokio und Peking könnten zudem zur Wiederaufnahme gemeinsamer Gasförderungen im Ostchinesischen Meer überzeugt werden. Und zur Entschärfung der territorialen Frage böte sich die Maxime des chinesischen Premiers Zhou Enlai von 1972 an: Als ihn Tokio fragte, wer die Inseln kontrollieren solle, antwortete Zhou: „Lassen wir uns davon nicht aufhalten. Das sollen die nächsten Generationen entscheiden.“

susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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