Der Wirtschaftsstandort benötigt eine Generalüberholung

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Andere holen die Industrie zurück, wir sind dabei, Leitbetriebe zu vertreiben. Eine Fehlentwicklung, die sich mit Einzelmaßnahmen nicht korrigieren lässt.

So schön haben wir uns die neue Welt vorgestellt: Die umweltverschmutzende Industrieproduktion wird mittels hoher Steuern, irrwitziger Bürokratie und künstlich verteuerter Energie aus Europa hinausgeekelt. Dreck produzieren sollen die bekanntlich ungebildeten Amis und die ohnehin nur zu Arbeitern an verlängerten Werkbänken taugenden Chinesen. Wir, die Innovationselite der Welt, liefern dazu Forschung, Entwicklung und andere hirnschmalzintensive Produkte – und leben davon gut in unseren grünen Biotopen. So gut, dass wir davon ökonomisch und umweltmäßig völlig verpatzte Energiewenden à la Deutschland, hochsubventionierte Green Jobs und diverse Grundsicherungen für nicht mehr benötigte Arbeitskräfte locker finanzieren können. Genial, nicht?

Teil eins der Strategie funktioniert in Österreich bereits prächtig. Was Voestalpine-Chef Eder und einige andere Industriekapitäne zuletzt „angedroht“ haben, nämlich die Abwanderung ihrer Unternehmen, ist in Wahrheit keine Drohung, sondern längst im Gang. Wer das nicht glaubt, muss nur einen Tausender in ein Flugticket investieren und dann beispielsweise durch die Industrieparks im Umkreis der chinesischen Metropole Shanghai schlendern. Er wird dort an jeder Ecke über österreichische Paradefirmen wie Voith, AT&S, Semperit oder Miba stolpern. Die sind vorerst dort, weil sie wichtigen Kunden nachgegangen sind. Aber sie haben, nicht nur dort, bereits Infrastruktur aufgebaut, in die sie, wenn es sein muss, sehr schnell Produktion, aber auch Forschung und Entwicklung verlagern können.

Und das ist der Haken an Teil zwei der Strategie: Innovationsführer ist schon jetzt leider nicht Europa. Tesla, Apple, Microsoft, Facebook und Co. haben ihre Zentralen nicht in Wien, sondern in den USA. Und sie können dort in den besten Universitäten der Welt rekrutieren. Die Chinesen wiederum sind, siehe etwa Jinko Solar, dabei, die Weltmarktführung in grünen Technologien an sich zu reißen. Sie wollen sich nicht mit der Rolle der verlängerten Werkbank begnügen und haben deshalb eine beispiellose, eliteorientierte Bildungsoffensive auf die Beine gestellt, deren sichtbares Ergebnis sieben bis acht Millionen Uni-Abgänger jährlich sind – während die europäischen Unis (ausgenommen Schweiz und Großbritannien) im bürokratischen Mittelmaß versinken.

Das sind die Rahmenbedingungen für unsere derzeitige Standortdiskussion in Österreich. Anderswo, etwa in den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern, hat man bereits begriffen, dass ein hoch entwickeltes Land auf Dauer nicht vom gegenseitigen Haareschneiden und Verwalten leben kann. Und dass hoch subventionierte Ökostromerzeuger und eine noch höher subventionierte Landwirtschaft als Basis für eine Wirtschaft nicht taugen. Das muss ja irgendjemand bezahlen. Man holt also die Industrie zurück.

Hierzulande schnallt die Politik leider noch gar nichts. Was die Voestalpine, aber auch beispielsweise die Papierindustrie nur noch im Ausland groß investieren lässt, ist ja nicht eine einzelne Fehlentwicklung, sondern ein ganzer Mix von Grauslichkeiten, bestehend aus hohen Energiepreisen, überzogenen Umweltauflagen, hohen Steuern, hohen Arbeitskosten und Überbürokratisierung. Das ist dank qualifizierter Arbeitskräfte bisher mit gewaltigen Produktivitätssteigerungen abgefangen worden. Aber irgendwann ist auch da Ende im Gelände.

Die Regierung wird also gut daran tun, ein ganzes Maßnahmenbündel zu schnüren, um den etwas „abgesandelten“ Standort (ja, Christoph Leitl hat da leider recht) zumindest wieder so weit herzurichten, dass nicht alle schreiend davonlaufen wollen. Dazu gehört unter anderem auch eine sinnvolle Umweltpolitik. Die idiotische Kyoto-Rechnerei ist das jedenfalls nicht: CO2 ist ein globales Problem. Wenn die Voestalpine Stahl nicht mehr in Linz, sondern anderswo produziert, sinkt die Belastung um kein einziges Gramm. Aber 20.000 Arbeitsplätze sind hier weg. Wenn das intelligente Umweltpolitik à la Österreich sein soll – dann wird es nicht nur für Unternehmen, sondern auch für deren Beschäftigte Zeit auszuwandern.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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