Der heilige Sebastian?

Sebastian Kurz
Sebastian Kurz(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der junge Außenminister wird dieser Tage auf Schritt und Tritt beobachtet. Vielleicht ist Sebastian Kurz einfach nur ein bisschen besser als all die anderen.

Er ist Anlass und Thema langer Magazinstrecken. Er ziert die Titelseiten. Er wird sogar von altgedienten EU-Außenministern gelobt, die Österreich gern und mitunter zu Recht übersehen. Einmal versammelt er die Altbotschafter um sich, einmal die Diplomatinnen und Beamtinnen in seinem Haus, um ihnen zuzuhören. Das ist seine große Fähigkeit: Er will und kann zuhören.

Kein Wunder, dass Sebastian Kurz bereits als ÖVP-Obmann, Vizekanzler, Bundeskanzler gehandelt wird. In mehreren Kommentaren und Texten gingen Medien zuletzt der Frage nach, ob der Außenminister – gerade auf einem heiklen Iran-Besuch – wirklich so gut sei wie alle Schwiegermütter, -väter, -söhne und -töchter sagen und schreiben. Und ob er nicht doch vielleicht bald straucheln werde.

Das ist eine interessante und fragwürdige Vorwegnahme einer medienpolitischen Theorie unserer Zeit: Wird eine Persönlichkeit erst einmal in den Himmel gelobt, wird sie irgendwann wieder öffentlich in den Keller geschickt. In der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ wird der Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz zu diesem Phänomen befragt. (Ohne Erwähnung von Kurz, so Außenminister sind wir dann doch noch nicht.) Maaz meint: „Wenn man sich selbst nicht so gut findet, sucht man sich Idole, im Showbusiness, im Sport, in der Politik, um die eigenen Schwächen ausgleichen zu können. Weil das eine Illusion ist, kommt es zur Entwertung, wenn das Idol nicht mehr funktioniert. Dann wird die Person weggeworfen wie Abfall.“

Nun, weder ist Kurz schon ein Idol der Massen, noch droht ihm, in absehbarer Zeit auf der innenpolitischen Halde zu landen. Der ÖVP-Politiker ist nur der einzig echte Hoffnungsschimmer in der politischen Kaste Alt-Großpartei. Stürzt auch er, bleibt nichts mehr. Nicht einmal den Journalisten, die ihren Jagdschein erfolgreich bei Humboldt gemacht haben, kann daran gelegen sein, dass die österreichische Innenpolitik zur geistigen europäischen Sahelzone erklärt wird.

Damit Kurz das Kometenschicksal – die Sternschnuppe hat er wohl schon überlebt – erspart bleibt, ist ein entspannter Umgang mit und von ihm notwendig. Und da wäre die Frage, wie er seine außenpolitische Linie anlegt, wichtiger als die Frage, ob er nun mit den Neos frühstückt. Sowohl in der Ukraine-Krise als vermutlich auch bei seinem Iran-Besuch legt er das Gespräch in einer durchaus österreichischen Tradition an. Soll heißen: Er formuliert eine Spur mehr Verständnis für das russische Ego, er plädiert eine Spur deutlicher für atmosphärisch gute Beziehungen zum Iran als andere in der EU. Ob dies angesichts der Wildostpolitik Wladimir Putins angebracht ist, ist ebenso fraglich wie die Einschätzung, der Iran würde am Verhandlungstisch seine Atomwaffen- und Israel-Ende-Fantasien wirklich begraben. Aber vielleicht steckt hinter der angedeuteten Charmeoffensive in Teheran einfach europäische Realpolitik: Wenn Russland am Gashahn dreht, könnte der Iran doch (einer) der Retter in der Energienot sein.

Ob Teheran, Ballhausplatz oder St. Pölten: Vielleicht ist Kurz einfach ein echter Politiker. Nur jünger, den Tick professioneller als die anderen. 2014 ist das schon ziemlich viel.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2014)

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