Abruptes Ende eines absurden Theaters

Der Demütigung der britischen Ex-Kolonialmacht könnte eine iranische Verhandlungsoffensive folgen.

Der britische Boulevard nahm's mit Humor: „Ich ging in den Iran, und alles, was ich bekam, war dieser lausige Anzug“, titelte die „Sun“. Darunter das Teheraner Gruppenbild der 15 freigelassenen britischen Soldaten, wie Teletubbies winkend und gewandet in taubengraue Konfektionsware der Marke Ahmadinejad, ohne westlich-dekadente Krawatten. Es war der letzte Akt eines Bilderkriegs, den die Iraner perfekt inszeniert hatten. Es war die ultimative Demütigung, die Degradierung der stolzen britischen Marine.

Nach ihrer Landung in London-Heathrow trotteten die freigelassenen Soldaten wieder in Uniform von dannen. Ein Zeichen, dass sie ihre Ehre wieder hatten und den iranischen Regieanweisungen nicht freiwillig gefolgt waren.

Der Vorhang ist gefallen, doch es sind immer noch zwei wesentliche Fragen offen: Warum hat der Iran die britischen Soldaten überhaupt festgenommen? Und warum endete dieses absurde Theater dann so unerwartet schnell und glimpflich?

Auch wenn die britischen Soldaten tatsächlich die Seegrenze im Shatt al-Arab verletzt hätten, was London nach wie vor leidenschaftlich bestreitet, hätten die eifrigen Revolutionsgardisten die britische Marinesoldaten einfach in irakische Gewässer zurückgeleiten können, anstatt sie festzunehmen. Der Eklat war geplant. Es könnten mehrere Motive mitgespielt haben:
•Die Hardliner um Mahmoud Ahmadinejad leben von der Konfrontation. Zuletzt waren sie unter anderem wegen steigender Inflationsraten und ihrem isolationistischen außenpolitischen Kurs ziemlich in die Kritik geraten. Um die Nation zu einen, gibt es kaum ein probateres Mittel, als einen Konflikt mit Großbritannien vom Zaun zu brechen. So lassen sich auf Knopfdruck überaus starke Emotionen abrufen, die im kollektiven Gedächtnis abgelagert sind: der Zorn gegen die Ex-Kolonialmacht.
•Zweitens wollten die Revolutionsgardisten möglicherweise ein Faustpfand für die fünf iranischen Geheimdienstleute, die sich seit ihrer Verhaftung im Jänner im Nordirak in amerikanischer Gefangenschaft befinden.
•Drittens wollten maßgebliche iranische Kräfte demonstrieren, dass sie sich im Streit ums Atomprogramm nicht einschüchtern lassen – weder vom UN-Sicherheitsrates noch vom zusätzlichen US-Flugzeugträger im Persischen Golf.

Um das Motiv auszuloten, müsste man wissen, wer hinter der Aktion steckte. War sie von höchster Stelle, von Revolutionsführer Ali Khamenei, abgesegnet? Oder handelten die Gardisten auf Geheiß ihres ehemaligen Kameraden, des jetzigen Präsidenten Ahmadinejad? Oder agierte die Eliteeinheit, was unwahrscheinlich ist, auf eigene Faust, um sich gegen Störungen ihrer Schmuggelgeschäfte zur Wehr zu setzen?

Das abrupte Ende der Affäre legt zwei Schlüsse nahe: Entweder setzten sich im internen iranischen Machtkampf die (relativ) gemäßigten Kräfte durch – oder es gab einen Deal mit dem Westen. Vielleicht trifft auch beides zu.


Die iranische Führung ist kein monolithischer Block. Es konkurrieren mehrere Machtzentren, die sich ständig neu austarieren, wobei sich alles hinter einem Nebelvorhang abspielt. Dahinter war zuletzt schemenhaft zu erkennen, dass Ahmadinejads konfrontativer Kurs manchen Mullahs zu weit ging, und zwar auch Ober-Mullah Ali Khamenei. Vermutlich zog der Revolutionsführer höchstselbst in der Geiselaffäre die Notbremse. Ein Grund könnte sein, dass die Iraner bekamen, was sie wollten: Erstmals erhielten sie nun Zugang zu ihren fünf Geheimdienstleuten, die die Amerikaner gefangen halten. Gut möglich, dass sie demnächst stillschweigend freikommen.

Spannender noch ein anderes Erklärungsmodell: Es könnten sich im Iran jene Kräfte durchgesetzt haben, die nun den regionalen Machtzugewinn der vergangenen Jahre konsolidieren wollen. Der Vorteil, der sich für den Iran durch den von den USA herbeigeführten Sturz der Taliban in Afghanistan und Saddam Husseins im Irak ergeben hat, könnte wie Butter in der Sonne zerfließen, wenn sich Teheran weiter in die Isolation manövrierte. Die Alternative wäre eine Verhandlungslösung im Atomstreit: Eine lukrative Normalisierung der Beziehung mit den USA im Gegenzug für die Einschränkung der Urananreicherung.

Dass der Westen zu einem Deal bereit ist, hat er in der Geiselkrise neuerlich verdeutlicht. Großbritannien, aber auch die USA verhielten sich auffallend zurückhaltend. Und das in einer Angelegenheit, die trotz aller bizarren Züge unter anderen Umständen einen Krieg auslösen hätte können.

Rückkehr der britischen Soldaten Seite 5


christian.ultsch@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2007)

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