Die Chuzpe des Gerhard Schröder

Deutschlands Ex-Bundeskanzler steht in russischem Sold und geißelt ungeniert Merkels Russland-Politik.

Außer Ludmilla Putina und dem Kreml-Chauffeur gibt es auf diesem Planeten wahrscheinlich nicht allzu viele Menschen, die weniger kritische Distanz zum russischen Präsidenten haben als Gerhard Schröder. Trotzdem fühlt sich Deutschlands ehemaliger Bundeskanzler berufen, die Russland-Politik seiner Nachfolgerin Angela Merkel zu kritisieren, und zwar nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern wann immer er ein Mikrofon zu greifen bekommt. Jetzt ritt Wladimir Putins Gasmann wieder eine Attacke, diesmal bei einem Galadiner der Quandt-Stiftung in Berlin: Er habe ja „Verständnis für die Besonderheit von DDR-Biografien“, sagte Schröder in Anspielung auf die CDU-Chefin. Doch klug sei es nicht, sich gegenüber Russland von allzu „großer Emotionalität“ leiten zu lassen. Denn das russische Gas werde ganz real gebraucht, befand der ehemalige SPD-Regierungschef.

Was da als altväterlicher Ratschlag daherkommt, ist eine unglaubliche Chuzpe. Es empfiehlt hier jemand, servil vor Putins autokratischem Gehabe und Kalten-Krieger-Posen zu kuschen, der selbst in russischem Sold steht. 250.000 Euro erhält Schröder jährlich von Gazprom dafür, dass er den Aufsichtsratsvorsitzenden beim russisch-deutschen Ostsee-Pipeline-Konsortium macht. Ein Projekt, das Schröder offenbar schon als Bundeskanzler nach Kräften unterstützte, trotz aller Einwände der EU-Partner in Polen und im Baltikum.

Als wäre es nicht schon unverschämt genug gewesen, dass sich Schröder nur ein paar Wochen nach seiner Abwahl von dem russischen Energieriesen anheuern ließ, besorgt er jetzt auch noch bei jeder Gelegenheit Putins politisches Geschäft in Europa. Natürlich war es Schröder (wer sonst?), der die geplante US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien besonders scharf als „Programm zur Sicherung der amerikanischen Vorherrschaft“ geißelte.

Dieser Mann hat einfach keine Hemmungen. Er ist immer dabei, wenn er seinem Duzfreund Putin einen Gefallen erweisen kann. Über autoritäre Züge Putins hat Schröder immer gerne hinweggesehen. Schon als Bundeskanzler attestierte er dem russischen Herrscher, ein „lupenreiner Demokrat“ zu sein. Zu einer Zeit, als bereits dem durchschnittlichen Konsumenten von RTL-Fernsehnachrichten bewusst sein musste, wohin die Reise in Russland geht. Doch Schröder wollte einfach nicht sehen, wie sein KGB-Kumpel Kritiker zum Schweigen brachte. Vielleicht fand er es auch nur halb so schlimm.

Die Moral hörte bei ihm schon immer dort auf, wo das Geschäft anfing. Es drängte in der Europäischen Union kaum jemand vehementer auf eine Aufhebung des Waffenembargos gegen China als der damalige Bundeskanzler Schröder. Da war dann nicht mehr so wichtig, dass Pekings kommunistische Machthaber Menschenrechte verletzten oder Taiwan hin und wieder mit einer kleinen Militärintervention drohten. Wer solche moralischen „Kinkerlitzchen“ an die große Glocke hängt, ist für Schröder ein „Weichei“, das Unternehmen Chancen verbaut. Der ehemalige Bauhilfsarbeiter ist immer auf der Seite der Macht und des Geldes anzutreffen.


Deshalb war es auch nicht weiter verwunderlich, dass er Merkel öffentlich dafür tadelte, den Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, im Bundeskanzleramt empfangen und damit die chinesische Regierung verärgert zu haben. Und weil Schröder nichts zu peinlich ist, ließ er seiner Nachfolgerin die Rüge auch noch über chinesische Zeitungen ausrichten. Das Außenamt in Peking, in dessen Dienst der geschäftstüchtige Frührentner übrigens (kein Witz!) die chinesische Heilmedizin in Europa verbreiten soll, wird es seinem „Berater“ aus Niedersachsen danken.

Schröder hat ein Charakterproblem – und geniert sich nicht dafür. Das machte er unlängst innenpolitisch deutlich: Statt seine Agenda 2010 zu verteidigen, opferte er auch dieses einzige mutige Konzept seiner siebenjährigen Regierungszeit auf dem Altar des Opportunismus. Die Arbeitsmarktreformen, um derentwillen er die SPD einer Zerreißprobe aussetzte, seien nicht die Zehn Gebote und Müntefering, der sich vor seinem Rücktritt als einziger gegen den Linksruck in seiner Partei zur Wehr setzte, sei nicht Moses, feixte Schröder.

Es bleibt Schröder unbelassen, sein eigenes Bundeskanzler-Denkmal zu demolieren. Das gelingt ihm auch ausgezeichnet. Doch zu denken gibt, dass Schröder in der SPD nun anscheinend wieder den Ton vorgibt – statt dass ihm einmal ein Genosse ernsthaft ans Herz legt, endlich die Klappe zu halten.

CDU empört über Schröder Seite 7


christian.ultsch@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2007)

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