Die klamme Republik und ihre Liebe zu stummen Melkkühen

Anzengruber
Anzengruber(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Republik als Kernaktionär zu haben ist für heimische Unternehmen zurzeit gefährlich. Sie müssen nämlich mehr Dividende liefern, als sie verdienen.

Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber ist offenbar ein ausgesprochen besonnener Mann. Während sich Managerkollegen mit der Regierung anlegen, gibt es vom Vorstand des halbstaatlichen Stromkonzerns kaum harte Kritik. Dabei hätte auch er allen Grund zu klagen. Denn rund läuft es beim Verbund schon lange nicht mehr. Schuld daran ist (auch) die Politik.

Eben musste das Unternehmen fünf Kraftwerke zumindest vorübergehend abdrehen. Darunter auch das nagelneue Gas-Kombi-Kraftwerk im steirischen Mellach, das es nach Baukosten von 550 Millionen Euro nur auf ein paar tausend Betriebsstunden gebracht hat. Das ist kein Einzelschicksal. Auch in Deutschland müssen die Energieriesen Kraftwerke stilllegen. Die klassische Stromerzeugung ist in Europa derzeit einfach kein Geschäft mehr.

„Geschafft“ haben das die deutsche (und in geringerem Maß auch die heimische) Bundesregierung, indem sie Milliardensubventionen an Betreiber von Wind-, Solar- oder Biomassekraftwerken ausschütten. Nebeneffekt: Die per Gesetz künstlich zum Leben erweckten Ökogiganten lassen den Strompreis an der Börse in den Keller rasseln. Bei den Haushalten kommt davon zwar kaum etwas an, dafür sind Kraftwerke, deren Bau vor wenigen Jahren noch sinnvoll erschienen ist, plötzlich wertlos.

Ein großer Unterschied zwischen Österreich und Deutschland zeigt sich im Umgang mit diesem Problem: Während Berlin darüber diskutiert, den Atomkonzernen sogar die Kosten für die Endlagerung abzunehmen, müssen sich Unternehmenslenker hierzulande gar nicht erst um einen Termin mit der Regierungsspitze anstellen. Sie werden keinen bekommen. „Soll er doch einen Brief schreiben, wenn er etwas will“, habe ihm der Finanzminister ausrichten lassen, erzählt der Chef eines großen, börsenotierten ATX-Konzerns hinter vorgehaltener Hand. Für den Staat sind Unternehmen offenbar nur noch als Melkkühe interessant – am besten als stumme.

Die Sondersteuer für heimische Banken oder die drastische, rückwirkende Anhebung des Förderzinses für die OMV sind nur die jüngsten Beispiele. Am liebsten bedient sich die Regierung aber seit jeher da, wo es am leichtesten geht: bei Staatsbetrieben wie dem Verbund.

Allein heuer wird der Stromkonzern 177 Millionen Euro an Dividenden an die Republik abwerfen. Das sind 71 Millionen mehr als 2013. Ein „einmaliges Ereignis“, betonte Anzengruber bei der Verkündung der Sonderdividende. Schließlich hat er zuvor das komplette Türkei-Geschäft abgestoßen. Doch ein Blick in die Detailplanung der Bundesbudgets zeigt, dass diese „einmalige“ Leistung schon nächstes Jahr wiederholt werden soll. 169Millionen Euro vom Verbund sind für 2015 fix eingeplant. Woher das Geld kommen soll, ist scheinbar herzlich egal. Denn der Verbund selbst rechnet nur mit einem Konzernergebnis von 150 Millionen. Um die Wünsche des klammen Eigners zu erfüllen, muss das Unternehmen also Schulden aufnehmen oder Reserven anknabbern.

Würde ein anderer Eigentümer einer Aktiengesellschaft derart dreist in die Firmenkassa greifen, wären Gläubigerschützer und Wirtschaftsprüfer wohl rasch zur Stelle. Doch für die Republik ist das Ausblenden der Grundregeln der Betriebswirtschaftslehre nicht die Ausnahme, sondern die Norm. Die ebenfalls teilstaatliche Telekom Austria kann ein Lied davon singen. Zwischen 2008 und 2012 hat die Telekom 92 Millionen Euro nach Steuern verdient. Auf Wunsch der Staatsholding ÖIAG hat der Konzern 1,2 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet. 330 Millionen nur für die ÖIAG.

Ein Ende ist nicht in Sicht. So musste die Telekom eben erst über eine Milliarde Euro für neue Frequenzen herausrücken. Die versprochene Förderung zum Ausbau des Breitbandnetzes in Österreich versank hingegen im Budgetloch. Und Geld für die anstehende Kapitalerhöhung gibt es auch nicht. Es muss gespart werden. Und das heißt offenbar vor allem, die verbliebenen Melkkühe stärker zu schröpfen. Auf lange Sicht ist das für Unternehmen brandgefährlich. Sie verdienen Eigentümer, denen mehr einfällt als der plumpe Griff in die Kassa, wenn ihnen das Kleingeld wieder einmal ausgeht.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2014)

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