Budgetsanierung? Nein: Steuerpolitik zum Abgewöhnen!

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Die Strafgebühr für sich selbst anzeigende Steuersünder ist okay – wenn gleichzeitig das unmoralisch gefräßige Steuersystem saniert wird.

Der jüngste Nachbesserungsbrief von Finanzminister Michael Spindelegger an die EU-Kommission in Brüssel enthält eine Reihe von ernsten Drohungen für uns Steuerzahler. Etwa diese: Durch die besser laufende Konjunktur sollen 300Millionen Euro zusätzlich aufgebracht werden. Abgesehen davon, dass sich die Konjunktur seit der Budgetrede vor drei Wochen wohl nur in den heißen Wunschträumen von Steuereintreibern so entscheidend verbessert hat: Übersetzt heißt das, dass man von den ohnehin schon übermäßig belasteten Arbeitseinkommen noch einmal ein paar hundert Millionen an Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen herunterreißen will. Das ist Steuerpolitik zum Abgewöhnen und hat mit nachhaltiger Budgetkonsolidierung absolut nichts zu tun!

Vernünftig klingt dagegen die Ankündigung, Steuersündern, die Selbstanzeige machen, eine Strafgebühr von 25 Prozent der hinterzogenen Summe aufzubrummen. Bewusste Steuerhinterziehung ist nämlich keineswegs das Kavaliersdelikt, als das sie immer dargestellt wird. Sondern eine besonders perfide Form von Sozialschmarotzertum: Die nicht bezahlten Steuern der einen sind in der Praxis ja die Mehrbelastung der anderen. Jeder, der steuerehrlich ist, muss sich in einem System, in dem so etwas konsequenzlos bleibt, ziemlich blöd vorkommen.

Allerdings, und jetzt kommt das große Aber: Viele, die ihren Obolus nicht oder unzureichend entrichten, haben nicht das kleinste Fünkchen schlechten Gewissens dabei, sondern betrachten das als Akt der Notwehr gegenüber dem gefräßigen Steuerstaat. Und sie haben mit dieser Einstellung natürlich auch nicht ganz unrecht. Denn die Steuerbelastung hat ein absolut unmoralisches Niveau erreicht. Die Beinahe-Rekordsteuerquote von 45,4 Prozent (eine noch höhere hat bisher nur Karl-Heinz Grasser beim Zusammentricksen seines sogenannten Nulldefizits im Jahr 2001 zustande gebracht) zeigt ja nicht das ganze Bild.

Die echte Grenzbelastung von Arbeitseinkommen (Steuer, SV-Beiträge inkl. Arbeitgeberbeiträge) liegt beispielsweise jenseits von 60 (in Worten: sechzig) Prozent des Bruttolohns. Und sie ist am größten im Bereich gehobener Mittelstandseinkommen rund um 4000 Euro brutto im Monat. Bei Besserverdienern sinkt sie durch die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge wieder ab.

Wer von jedem zusätzlich verdienten Euro mehr als 60 Cent abliefern muss, der hat alles Recht der Welt, auf Robin Hood zu machen und dem Steuersheriff die Gefolgschaft zu verweigern. Es funktioniert ohnehin nur bei einem Teil, denn Lohnsteuerzahlern wird der Obolus ja einfach abgezogen. Ein derartiges System ist, ganz nebenbei, extrem leistungsfeindlich. Jeder, der die Wirtschaft „entfesseln“ wollte, würde als Erstes hier hineinschneiden. Stattdessen ist, wie wir unterdessen wissen, die kalte Progression schon fix für die Budgetsanierung eingeplant.


Fassen wir also zusammen: Zu einem vernünftigen Steuersystem gehört Steuerehrlichkeit. Ein Staat, der es nicht schafft, seine Steuern einzutreiben, der endet wie Griechenland. Zu einem vernünftigen Steuersystem gehört aber mindestens ebenso stark ein ausgeglichenes Steuerniveau, das die Belastungen nicht nur halbwegs gerecht auf alle Steuersubjekte verteilt, sondern auch dafür sorgt, dass der Bogen nicht überspannt wird. Es gibt genügend Untersuchungen, die beweisen, dass die Steuerschraube ab einem gewissen Steuerniveau durchdreht und kein höheres Steueraufkommen mehr generiert, weil der Steuerwiderstand progressiv steigt. Diese Grenze ist bei uns unzweifelhaft überschritten.

Die Strafgebühr für Selbstanzeigen ist also durchaus in Ordnung – wenn gleichzeitig das aus den Fugen geratene Steuersystem in Ordnung gebracht wird. Schafft die Regierung das nicht, weil sie die dafür notwendigen Reformen nicht durchbringt, dann möge sie so nett sein und umgehend zurücktreten. Dass man nicht ewig an der Steuerschraube drehen kann, haben uns Länder wie Schweden oder Frankreich schon vorexerziert. Man muss nicht jeden Fehler unendlich oft wiederholen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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