Die Schlammschlacht um die Burg wird bald noch schlimmer werden

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Das Burgtheater hat die letzten Reste seines Glorienscheins verloren. Und das könnte sich mit der Zeit übel auf alle Bundestheater auswirken.

Am Freitag steht im Burgtheater Nestroys „Lumpazivagabundus“ auf dem Programm. Ein böser Geist scheint auch die Traditionsbühne erfasst zu haben. Am 3. Juni gibt die erste Direktorin in der Burg-Geschichte, Karin Bergmann, den Spielplan für die nächste Saison bekannt. Eine Neuerung wird schon jetzt sichtbar: Art for Art, die Theaterservice GmbH der Bundestheater, baut ca. 50 Leute ab. Weil sich die Burg offenbar die von Art for Art produzierten Ausstattungen nicht mehr leisten kann. Nun kann man auch auf einer leeren Bühne ohne Kostüme spielen. Doch fragen wir uns: Was passiert denn hier? Das Burgtheater hat ein Defizit von etwa 22 Millionen Euro abzutragen – und prozessiert mit seinem entlassenen Direktor, Matthias Hartmann.

Dessen Verschwendung und Malversationen könnten weitreichende Folgen haben. Und dem Manne scheint weiter jedes Augenmaß zu fehlen: Beim Berliner Theatertreffen, der Olympiade der deutschsprachigen Bühnen, bei dem die Burg „Die letzten Zeugen“, eine Performance über die letzten Zeugen des Holocaust zeigte, fiel Hartmann zum Horror der Holocaust-Opfer sein eigener „Horror der letzten Wochen“ ein. Geht's noch?

Der Arbeitsgerichtsprozess zwischen Hartmann und dem Burgtheater wird gewiss spannende Details nicht nur über Hartmanns Missmanagement zutage fördern, sondern wohl auch Genaueres über mögliche Lücken in der Kontrolle durch die Bundestheater-Holding. Deren Chef, Georg Springer, geht mit Jahresende in Pension. Bis jetzt blieb er von der Burg-Affäre – für viele erstaunlich – unbelastet. Weil er bestens mit der Politik vernetzt ist?

Sicher ist: Die Burg-Affäre ist auch ein Politikum. Lichtjahre her scheint die Ära Claus Peymanns, der mit SP-Politikern wie Hilde Hawlicek oder Rudolf Scholten gut Freund war und auf deren Unterstützung zählen konnte. Der amtierende SP-Kulturminister, Josef Ostermayer, will sich profilieren und greift hart durch. Ist dies ein Signal, dass sich die SPÖ von der Hochkultur verabschiedet? Die ÖVP hat hier schon lange nichts mehr zu melden. Die Freiheitlichen kennen sich mit Kunst kaum aus. Wird die Burg wie viele staatliche oder staatsnahe Unternehmen der freien Marktwirtschaft überantwortet? Das Burgtheater könnte das unrentable Repertoiresystem aufgeben, Aufführungen öfter einkaufen, statt selbst zu produzieren, mehr Koproduktionen zeigen, mehr Schließtage haben, weniger Spielstätten, nur mehr ein kleines oder gar kein fixes Ensemble. Sie könnte ihre Marke für Lizenzprodukte vergeben, Tourneen machen. All das würde dann wohl auch anderen Bundestheatern nahegelegt.

Wenn der Hanuschhof, die Arsenal-Probebühnen, das Kasino verkauft sind, womöglich das Akademietheater, eine Cashcow der Burg, vermietet wird, wenn alle ökonomischen Maßnahmen durchgezogen sind, wird man feststellen, dass es mit Sparen allein nicht getan ist. Aber ist eine künstlerische Offensive überhaupt erwünscht? Sichtlich nicht.

Das Ärgerlichste ist, dass diese ganze Katastrophe auf Managementfehler zurückzuführen ist. Statt einer durchaus diskutierbaren Neuordnung der Burg, auch ästhetisch, z. B. Beseitigung einer gewissen stilistischen Einförmigkeit, droht jetzt die Demontage des wichtigsten deutschen Sprechtheaters, abgewickelt von der Politik. Da hilft die EU-Wahl am Sonntag, die alle Parteien zu Versprechungen verlockt, auch nichts mehr. Mit Kultur sind bekanntlich kaum Stimmen zu bekommen, doch kann man sich leicht einen Shitstorm einhandeln.

Die Devise scheint zu sein: Was soll uns Kunst, die keinen Profit bringt? Das passt zum Zeitgeist. Das Theater wird es überleben, es hat den Großteil seiner Geschichte auch ohne Subventionen funktioniert. Was von den Bundestheatern übrig bleibt, wird freilich spannend werden. Vor allem für die Hauptleidtragenden der Krise: das Publikum.



E-Mails an: barbara.petsch@diepresse.com










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