Wir machen immer dasselbe - aber erwarten andere Ergebnisse

Die EZB senkt ihre Zinsen noch weiter, Geld wird noch billiger. Der Effekt?
Spekulanten werden animiert, Schuldner belohnt und die Sparer bestraft.

Geld, Geld, günstiges Geld! Wer will das nicht? Will nicht jeder immer mehr Geld? Der Angestellte will mehr Geld vom Arbeitgeber; der Verkäufer mehr Geld vom Kunden; das Kind mehr Geld von den Eltern; die Politiker mehr Geld vom Steuerzahler und die Bürger mehr Geld von den Politikern.

Nun, dieser ewige Kreislauf wird erstmal nicht zum Stillstand kommen. Dafür sorgt die Europäische Zentralbank (EZB), die am Donnerstag den Zinssatz wieder einmal auf ein Rekordtief gesenkt hat. Auch hat sie die Banken wieder einmal mit supergünstigen Krediten mit extralanger Laufzeit versorgt. Sie hat - und das ist sogar neu – auch Strafzinsen für Banken beschlossen, die ihr Geld lieber bei der EZB parken statt Kredite zu vergeben. Kurz: Die EZB hat alles getan, was in ihrer Macht steht, um die Wirtschaft mit noch mehr billigem Geld zu fluten.

In diesem Punkt ist sich die EZB zumindest treu geblieben. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Kontrolle der Inflationsrate, die mittelfristig knapp unter zwei Prozent zu stehen hat. Weil jedoch die Kreditvergabe und die Wirtschaft in der Eurozone weiterhin nicht vernünftig laufen, sinkt die Inflationsrate. Aber wird das billige EZB-Geld wirklich für eine Belebung der Wirtschaft sorgen, worauf Konsum, Löhne, Preise und die Inflationsrate zu steigen beginnen? Oder wird auch diese weitere Lockerung eines ohnehin schon weit offenen Geldhahns nur die an den Börsen entstehenden Blasen weiter aufblähen bis diese platzen und die Zentralbanken so tun, als hätten sie mit alledem nichts zu tun?

Die Notenbanker sind freilich Experten und wissen, dass man Arbeitsplätze und Wohlstand nicht einfach „herbeidrucken“ kann. Aber auch sie müssen an die Bedürfnisse ihrer größten Kunden denken, die einen schier unstillbaren Hunger nach frischem, billigen Geld haben: Politiker, die die extremen Schuldenlevels ihrer Staaten lieber ignorieren statt den Rotstift anzusetzen. Und Banken, die ihre Bilanzen reparieren müssen.
Aber eine Gruppe kommt dabei unter die Räder: die Sparer. Weil frisches Geld sich erstmal seinen Weg durch die Wirtschaft bahnen muss – angefangen in Ministerien oder Banken – benachteiligen niedrige Zinsen die „einfachen“ Leute doppelt: Erstens wird Kaufkraft von unten nach oben umverteilt – und zwar im großen Stil. Denn die Staaten und Banken sowie Beamte und Banker bekommen das billige Geld ja bevor die Preise steigen – und lange bevor die Löhne der Bevölkerung steigen. Dieser Effekt ist wahrscheinlich hauptverantwortlich für die unfaire Verteilung von Vermögen auf dem Planeten. Und er wird jedes mal noch stärker, wenn die Zinsen weiter gesenkt werden.

Zweitens sind inzwischen praktisch alle Möglichkeiten des klassischen Sparens ausgerottet – inklusive dem guten alten Sparbuch. Die Minuszinsen der EZB treffen die Banken auch nur so lange bis sie die Kosten an ihre Kunden weitergegeben haben. Der Effekt ist – theoretisch – derselbe, denn wer heute nach Rendite sucht, landet irgendwann am Aktienmarkt oder in den Staatsanleihen.
In Österreich kommen noch die enorm hohen Steuern dazu. Am Ende bleibt immer weniger netto in der Geldbörse und die bittere Erkenntnis, dass harte Arbeit alleine nicht mehr reicht, um sein Leben zu verbessern. In diesem System werden die Spekulanten belohnt, die Bankrotteure gerettet und die Sparer bestraft. Wir sollten wenigstens nicht mehr so verwundert tun, wenn die nächste Krise zuschlägt.

Wie viele Blasen müssen noch platzen und wie viele „unkonventionelle Maßnahmen“ werden sich die Damen und Herren Notenbanker noch einfallen lassen, bevor wir eine grundlegende Debatte über die Rolle des Geldes im ewigen auf und ab der Börsen führen?
Das Muster ist immer gleich: billiges Geld heizt die Spekulation an den Börsen an, bis die künstlich erzeugten Booms abrupt enden und Krisen auslösen – die dann wieder durch billiges Geld gelöst werden sollen. Wir machen immer dasselbe – aber erwarten andere Ergebnisse. So hat Einstein den Wahnsinn definiert.

E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Printausgabe vom 6.5.2014)

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