Wir laden ein, wen wir wollen

Die Einladung von Putin provoziert USA und Partner. Warum sagt eigentlich keiner ehrlich: Unsere Außenpolitik dient auch nur eigenen Interessen.

There is no free lunch. Nicht einmal für Österreich, nicht einmal für Heinz Fischer. Seit Jahren profitiert das Land, seine Wirtschaft, seine Banken und damit seine Finanzen in erheblichem Ausmaß von einer privilegierten wirtschaftspolitischen Partnerschaft – manche nennen sie gar Freundschaft – zu Russland. Wladimir Putin mag Österreich, viele (Mittelstands-)Oligarchen und ihre Frauen mögen das Land, das alle mag, die ihre Zuneigung auch finanziell oder mit anderen Aufmerksamkeiten ausdrücken. (Wir tun zumindest nach langem Training als Tourismusdestination so, als würden wir sie mögen.) Das klingt schäbiger, als es ist, man muss es sich nur ehrlich eingestehen.

Die Schweiz lebt gut und stolz nach dem Prinzip der politischen und wirtschaftlichen Vorteilsmaximierung für die besten Kunden. Daher ist es genau genommen keine politische Überraschung, wenn Bundespräsident Heinz Fischer den russischen Präsidenten zu einem Kurzbesuch einlädt beziehungsweise eine vor Längerem ausgesprochene Einladung aktiviert wird, um Putin die Hand zu reichen. Natürlich sind die osteuropäischen Partnerländer verärgert, dass Wien mit dieser Einladung die EU-Haltung weiter aufweicht. Zwar wird auch am Omaha Beach mit Putin verhandelt, aber eben doch den Tick weltpolitischer als in der Wiener Hofburg. Eigentlich beteiligt sich Österreich – anfangs widerwillig – an Sanktionen gegen Russland, das völkerrechtlich die Krim annektiert hat – beziehungsweise zum freiwilligen Anschluss motiviert hat – und die Region bedroht. Sanktionen und höfliche Einladungen passen nicht zusammen.

Organisiert hat das bevorstehende Treffen Margot Klestil, unsere Botschafterin vor Ort, ihr verstorbener Mann, Thomas, begründete zu Lebzeiten die Skihüttenfreundschaft zu Putin. Fischer setzt sie also nun politisch fort. Dass die Putin-Teestunde in Wien mit den europäischen EU-Partnern abgestimmt ist, klingt putzig. Man kennt das als einfache Managerübung: Man teile dem Kollegen seinen bevorstehenden Abgang mit, und hat ihn damit schon abgestimmt.

Überspitzt könnte man hinzufügen, dass Österreich eine Tradition zu pflegen hat: Der viel zitierte Dialog wurde und wird mit vielen demokratiepolitisch bedenklichen Zeitgenossen geführt – mit der Staatsspitze Chinas, des Iran oder mit südamerikanischen Staatskanzleien. Auch Wirtschaftssanktionen wurden von uns großzügiger ausgelegt als von anderen Ländern. Das bringt manchmal tatsächlich etwas, die Verhandlungen über das iranische Atomwaffenprogramm finden in Wien statt, weil es einen offenen Kanal nach Teheran gab.

Natürlich ist diese journalistische Kritik beziehungsweise Haltung zum Teil ungerecht. Unternimmt Österreich nichts, und schaut Werner Faymann wie bisher Angela Merkel begeistert bei der Weltpolitik zu, steht der Vorwurf der Untätigkeit im Raum. Setzen Außenministerium und Präsidentschaftskanzlei hingegen eigene Schritte, hagelt es Kritik. Daher werden die Dramaturgie und der tatsächliche Verlauf des Besuchs Putins für die Beurteilung der gesamten Aktion relevant sein: Schaffen es Heinz Fischer und mitspielende Mitglieder der Bundesregierung, tatsächlich Klartext zu reden und die Position des aktuell durchaus bedrohten Europas zu formulieren, oder wird es mehr eine gemurmelte Pro-forma-Verurteilung der Krim-Annexion mit anschließendem begeisterten Schulterklopfen, weil wieder einmal ein kleiner Vertrag zwischen einem russischen und einem österreichischen Unternehmen besiegelt wurde?

Ohne an dieser Stelle in Polemik zu verfallen – das können andere besser: Heinz Fischer mag es seit Beginn seiner politischen Karriere gern milde, vage, angedeutet und tiefsinnig. Und dann wird der tatsächliche Verlauf der Krise zum Richter über den österreichischen Kuschelkurs. Kommen deutliche Signale der echten Deeskalation, werden Heinz Fischer und Sebastian Kurz Appeasement-Helden. Gibt es diese nicht, sondern kommt es zu einer noch größeren Auseinandersetzung, bleibt das Bild einer Wichtigtuer-Politik mit eigener (wirtschaftlicher) Agenda, die nie versteckt war. Wozu auch? Wir sind wir.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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