Putin und die Wiener Sehnsucht, auch einmal wichtig zu sein

Russia's President Putin he visits a barley field near Grigoropolisskaya
Russia's President Putin he visits a barley field near Grigoropolisskaya(c) REUTERS
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Österreich empfängt Russlands Präsidenten aus wirtschaftlichem Interesse. Die Idee, außenpolitisch auf ihn einzuwirken, entspringt radikalem Wunschdenken.

Wladimir Putin kann seinem Ausflug nach Wien entspannt entgegensehen. Auf Gegenwind am Ballhausplatz muss sich der russische Staatschef nicht wirklich gefasst machen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz wird der Gastgeber, Bundespräsident Heinz Fischer, zwar pflichtschuldig seine Sorge über den Völkerrechtsbruch Russlands auf der Krim formulieren. Doch mehr als ein laues Gegenlüfterl wird wohl nicht dabei herauskommen, wenn Österreichs Staatsoberhaupt seinen rhetorischen Föhn einschaltet. Eine Kopfwäsche ist gar nicht erst vorgesehen. Gegenüber, im Salon des Bundeskanzlers, darf Putin erst recht mit Wiener Gemütlichkeit rechnen; dort sind keine Journalisten dabei.

Und in der Wirtschaftskammer Wien schließlich kann der Kreml-Chef in einem Vortrag zum Punkt kommen: Der Rubel soll weiterhin rollen. Es gibt in Zukunft noch viele Investitionsmöglichkeiten, vor allem natürlich in Südrussland, zu dem Moskau seit drei Monaten auch die annektierte ukrainische Halbinsel Krim zählt. Mit seinem Besuch in Wien will Putin zeigen, dass ja eigentlich alles so läuft wie bisher: business as usual. Das ist natürlich auch einer der unausgesprochenen Hintergedanken der Gastgeber, die ihm eine so schöne Bühne im Herzen der EU gezimmert haben.

Vor allem in Ost- und Mitteleuropa, in den ehemaligen Vasallenstaaten der Sowjetunion, ist man ganz und gar nicht erbaut, dass Österreich Putin mitten in der Ukraine-Krise den roten Teppich ausrollt. Sie werten die Einladung als unsolidarischen und eigennützigen Akt. Umso eilfertiger war Fischer von Anfang an bemüht zu betonen, dass er sich auf EU-Linie bewege, sich mit den Staatsführungen von Partnerstaaten abgestimmt habe und keineswegs an den Sanktionen gegen die russische Führung rüttle. Konflikte, so das Mantra des Bundespräsidenten, seien nur im Dialog zu lösen. Und die Visite des russischen Staatschefs biete die Gelegenheit, auf den Gast einzuwirken, direkt mit ihm zu reden.

Putin wird davon nur mäßig beeindruckt sein. Für ihn zählt der symbolische Erfolg, in der Hauptstadt eines EU-Mitgliedstaates empfangen zu werden. Damit kann er, wie zuletzt schon in Frankreich bei den D-Day-Feiern, signalisieren, dass er trotz der neoimperialen Krim-Annexion und der Förderung separatistischer Umtriebe in der Ostukraine international ja gar nicht so isoliert ist.

Im Umgang mit Europa war es schon immer die Strategie Putins, die diversen Differenzen und Spaltungen in der EU für seine Zwecke zu nutzen. In Österreich, jahrzehntelang ein Abnehmer russischen Gases, sieht er einen Verbündeten. Die OMV hat diesen Eindruck erst unlängst verstärkt, als sie ohne jegliches Feingefühl für Timing, außenpolitische Rahmenbedingungen und Befindlichkeiten der EU-Kommission den South-Stream-Vertrag mit Gazprom unterzeichnet hat.


Zupass kommt Putin das Bedürfnis einzelner österreichischer Akteure wie von Präsident Heinz Fischer oder auch Außenminister Sebastian Kurz, außenpolitisch endlich wieder wahrgenommen zu werden. An diesen Bestrebungen ist nichts auszusetzen, im Gegenteil. Hierzulande muss man über fast jede Form politischer Ambition froh sein.

Doch Ehrgeiz kann auch dazu führen, dass man sich übernimmt. Sosehr sich manche eine bedeutende Rolle ersehnen mögen, Österreich bleibt ein außenpolitischer B-Movie-Darsteller, prädestiniert für regionale diplomatische Kleinkunst und zu klein für die große Bühne. Für die Starvermittlerrolle zwischen Russland und der Ukraine reicht es nicht. Auch die Idee, dass Putin ausgerechnet auf einen österreichischen Politiker hören könnte, entspringt radikalem Wunschdenken. Im Grunde erhofft sich die Republik wirtschaftliche Vorteile, wenn sie Putin einlädt. Aber offen will das natürlich niemand sagen.

Um vor dem Rest der Welt nicht als heillose Opportunisten dazustehen, sollten die Spitzenrepräsentanten Österreichs am Dienstag das inakzeptable Vorgehen Russlands in der Ukraine unmissverständlich und kraftvoll vor laufenden Kameras im Beisein Putins verurteilen. Viel ist jedoch, wie gesagt, nicht zu erwarten. Denn diese Aufgabe fällt Heinz Fischer zu.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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