Der neue Stil, den sie meinten

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Budgetloch, Pensionen, Steuerreform: Nichts geht mehr. SPÖ und ÖVP bekämpfen einander wie eh und je. Ist diese Regierung noch zu retten?

Fassen wir einmal kurz zusammen, sofern das überhaupt möglich ist: Da wäre zum einen das neue Budgetloch im Ausmaß von „einigen hundert Millionen Euro“. Behauptet zumindest der Finanzminister und ÖVP-Chef. Der Kanzler und SPÖ-Chef hält das für Panikmache. In Wahrheit sei man budgetär „auf Kurs“.

Da wären, zum zweiten, die Pensionen. Der sozialdemokratische Sozialminister erklärt, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter sei zwischen Jänner und Mai 2014 um nicht weniger als acht Monate gestiegen (verglichen mit demselben Zeitraum des Vorjahres), die verschärfenden Maßnahmen der Regierung machten sich also schon bezahlt. Die ÖVP nennt das zwar nicht direkt, aber doch eine Lüge, indem sie Rudolf Hundstorfer unterstellt, er hätte die Zahlen „schöngeschminkt“.

Und dann wäre da, drittens, noch die Sache mit den rekordverdächtigen Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer. Nach der verpatzten EU-Wahl ist die SPÖ zu dem Schluss gelangt, dass sie nun doch schon 2015 eine Entlastung haben möchte, gegenfinanziert durch – what else? – Vermögensteuern. Beides lehnt die ÖVP ab, eine Entlastung aus finanziellen Gründen, Vermögensteuern aus ideologischen.

Die Liste ließe sich noch fortsetzen: Internet-Breitbandausbau, ÖBB, Bildungspolitik etc. Wann immer die eine Partei etwas will, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die andere doch lieber das Gegenteil hätte. Und sich am Koalitionspartner schadlos hält: Wir würden ja eh, aber . . .

„Regieren nennt man das“, hat Werner Faymann, der Bundeskanzler, am Dienstag nach der Ministerratssitzung zu den Dauersticheleien gemeint. Und seither können nicht einmal mehr Optimisten ausschließen, dass es zwischen der Faymann'schen Definition von Regieren und dem, was sich der Wähler gemeinhin darunter vorstellt, eine ziemlich große Diskrepanz gibt.

Im Ansatz mag der Kanzler sogar recht haben: Eine gewisse Streitkultur, im Sinn eines Wettstreits um die besseren Ideen, wird man einer Regierung schon zugestehen müssen. SPÖ und ÖVP geht es zwar auch um die besseren Ideen, aber nicht für das Land, sondern für ihre jeweilige Klientel. Nur so meint man die eigene Stellung, die Macht sichern zu können. Angereichert durch so manche Befindlichkeit endet das dort, wo es immer geendet hat: zwischenmenschlich in einer Beziehungskrise, sachpolitisch im Stillstand.

Man erinnere sich an die Koalitionsverhandlungen im Dezember, an die wechselseitigen Beschwörungen, wonach im Regierungsalltag ein neuer Stil Einzug halten müsse, wenn es die beiden Parteien noch einmal miteinander versuchen. Jetzt aber wirklich. Man möge sich künftig intern streiten, nach außen hin habe man aber gefälligst geschlossen aufzutreten. Wie schnell doch die Zeit vergeht.

Faymann nennt das also regieren. Und Michael Spindelegger, der Vizekanzler und Finanzminister, steht daneben und nickt zustimmend. Ob aus Realitätsverweigerung? Nein. Hier wird bloß ein Regierungsalltag „schöngeschminkt“. Das ist kein neuer, sondern schlechter Stil. Und problematisch noch dazu. Weil den beiden kaum noch jemand traut.

Man weiß eigentlich nicht mehr, was man sich, was man dieser Regierung, was man sich von dieser Regierung noch wünschen sollte. Dass sie sich an Spindeleggers Vorgänger Josef Pröll erinnert, der einst eine Art politisches Konklave vorgeschlagen hat, das erst dann endet, wenn weißer Rauch aus dem Kanzleramt aufsteigt? Kämen da vernünftige Lösungen zustande – in der Budgetfrage, bei den Pensionen, beim Thema Steuern (was ja alles zusammenhängt)?

Ist diese Regierung denn überhaupt noch zu retten? Wie soll diese vermeintlich alternativlose Koalition bis 2018 halten – vor allem, wenn man bedenkt, dass in den nächsten 15 Monaten auch noch fünf Landtagswahlen anstehen? Reinhold Mitterlehner, der Wirtschaftsminister, hat es so formuliert: „Wenn das so weitergeht, wird man wahrscheinlich stolpern.“

Dieser höchstwahrscheinlich messerscharfen Analyse kann man fürs Erste nur noch eines hinzufügen: schön, dass diese Regierung jetzt Sommerurlaub macht. Wir Wähler haben uns das echt verdient.

E-Mails an:thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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