Graf Bobby und Baron Mucki auf Europa-Reise

Britain's Prime Minister Cameron arrives to officially open the 2014 Farnborough International Airshow in Farnborough
Britain's Prime Minister Cameron arrives to officially open the 2014 Farnborough International Airshow in Farnborough(c) REUTERS
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In der EU-Politik ließen die Tories zuletzt keinen Fettnapf aus. Die Regierungsumbildung ist zur Abwechslung ein taktisch kluger Zug von Premier Cameron.

Für David Cameron bricht heute „another day in paradise“ an – ein neuer Tag im Paradies. Der britische Premierminister wird Mittwochnachmittag nach Brüssel reisen, um mit seinen europäischen Kollegen zu dinieren und dabei über den neuen Außenminister der Union und andere EU-Personalfragen zu beraten, was für den Briten ein enden wollendes Vergnügen ist, wie die sarkastische Wortwahl suggeriert. Eigentlich kein Wunder, denn beim heutigen Gipfeltreffen wird Cameron mit den Konsequenzen seiner jüngsten Niederlage konfrontiert: dem gescheiterten Versuch, Jean-Claude Juncker als Präsidenten der EU-Kommission zu verhindern. Am Dienstag wurde der luxemburgische Christdemokrat in Straßburg vom Europaparlament triumphal gekürt – und Cameron steht nun vor einem Scherbenhaufen.

Die Aufräumarbeiten dürften sich schwer gestalten, denn auf der Brüsseler Bühne agieren die Tories ähnlich unbeholfen wie Graf Bobby und Baron Mucki auf Europa-Reise: Cameron und seine Berater ließen in den vergangenen Jahren keinen Fettnapf aus, angefangen beim desaströsen Tory-Austritt aus der Europäischen Volkspartei 2009 über die rein populistische, letztendlich sinnlose Blockade einer EU-Vertragsänderung auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise 2011 bis hin zu dem fast schon kindlichen Glauben, Angela Merkel werde ihren Spitzenkandidaten, Juncker, schon fallen lassen, wenn man mit der Faust auf den Tisch haut und mit dem EU-Austritt Großbritanniens droht.

Mit einer Mischung aus Naivität, Arroganz und Kurzsichtigkeit hat sich Cameron in die Sackgasse manövriert. Von seinen Hinterbänklern und der offen EU-feindlichen UKIP angestachelt, hat er den Briten für 2017 ein Referendum über den Verbleib ihres Landes in der EU zugesagt. Nach der Niederlage in Brüssel wagte er am Dienstag innenpolitisch den Befreiungsschlag: Der profilierte Außenminister William Hague musste den Hut nehmen, ihm folgt der bisherige Verteidigungsminister und überzeugte Europaskeptiker Philip Hammond nach, der 2017 für den „Brexit“ werben will, sollte sich die Union bis dahin nicht nach britischen Vorstellungen gewandelt haben. Ebenfalls abberufen wurde Ken Clark, der letzte EU-freundliche Mohikaner unter den Tories, sowie Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, der sich gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU-Menschenrechtskonvention ausgesprochen hatte.


Rückt damit der Abschied Großbritanniens näher? Nicht unbedingt. Was auf den ersten Blick als Trotzreaktion erscheinen mag, ist in Wirklichkeit der taktisch kluge Zug eines Regierungschefs, der ehrlich daran interessiert ist, die Mitgliedschaft seines Landes in einer reformierten EU zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Cameron drei Herausforderungen meistern: sich erstens im Inland freispielen, zweitens in Brüssel an Statur gewinnen und drittens nach Gleichgesinnten Ausschau halten.

Fangen wir im Inland an: Die Ernennung Hammonds ist ein letztendlich symbolisches Zugeständnis an die Europaskeptiker. Symbolisch, weil die Schnittmenge zwischen nationaler und europäischer Außenpolitik weiterhin klein bleiben dürfte – denn das Letzte, was auch Camerons Kollegen wollen, ist ein eigenständig denkender Vollblutpolitiker an der Spitze des Auswärtigen Dienstes der Union. Hammond wird also das Heimpublikum bedienen können, ohne dass ihm jemand aus Brüssel dazwischenfunkt. Stichwort Brüssel: Im Windschatten der Regierungsumbildung nominierte Cameron mit Lord Jonathan Hill einen alten Hasen für den Posten des britischen EU-Kommissars. Der ehemalige Berater von Premier John Major ist kein Feind Europas, hat – wie Juncker – am Maastricht-Vertrag mitgeschrieben und dürfte mit dem neuen Kommissionschef eine gute Gesprächsbasis finden.

Und was die Suche nach Alliierten anbelangt: Angela Merkel hat Cameron auf jeden Fall auf seiner Seite, denn in Berlin gilt Großbritannien als Conditio sine qua non einer liberalen und weltoffenen EU. Die Partie um Juncker hat Cameron verloren. Doch im Poker um eine flexible Union hat er nicht die schlechtesten Karten. Er muss sie nur ausspielen.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2014)

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