Wer hat die Antwort auf die Frage: Wozu gibt es in Salzburg Festspiele?

(c) EPA (STEPHEN CHERNIN)
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Das sommerliche Kulturangebot an der Salzach ist so aufgebläht wie nie zuvor. Damit ist es auch verwechselbar geworden - zu unverwechselbaren Preisen.

Vergangenen Freitag haben die Salzburger Festspiele begonnen. Der gelernte österreichische Kulturkonsument reibt sich die Augen: Am 18. Juli hat man sich früher einmal vielleicht für die Premiere der neuen Bregenzer-Seebühnen-Produktion chic gemacht. Für ernsthaftere Festspielambitionen blieb noch eine Woche Zeit.

Derartige Gewohnheitsregeln sind längst außer Kraft gesetzt. Salzburgs Vorschauprospekt quillt über von Angeboten. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, heißt es. Doch verrutschen ihm leicht die Maßstäbe. Der scheidende Intendant, Alexander Pereira, hat der schon unter seinen Vorgängern aufgeblähten Programmfolge noch eine zusätzliche Introduktionswoche verordnet. Deshalb laufen die Festspiele schon.

Oder doch noch nicht?

Für den traditionellen „Jedermann“, notorisch ausverkauft, hat man eine weitere Spielwoche gewonnen. Die erste Opernpremiere findet allerdings erst am 27. Juli statt. Die „eigentlichen“ Festspiele dauern also so lang wie eh und je.

Nur: Was diese, sagen wir, Kern-Festspiele zu bieten haben, lässt sich zumindest von der Papierform her kaum noch, wie anno dazumal, ins Fünf-Sterne-de-luxe-Segment einreihen. Allzu vieles wird da angeboten, was überall anders – notabene billiger – auch zu erleben ist. Teile der Eröffnungswoche muten gar an wie eine Art Gastspiel der Grazer Styriarte.

Salzburgs einst viel gerühmte Exklusivität maß man an den Dirigentennamen – von den Sechziger- bis in die Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts hießen sie Herbert von Karajan und Karl Böhm, dazu die Elite der damals jüngeren Generation – von Lorin Maazel bis Riccardo Muti. Diese Festspiele waren notorisch ausverkauft.

Heuer hat beim Kartenkauf nur Probleme, wer ausgerechnet Verdis „Troubadour“ sehen möchte. Warum? Da tritt Anna Netrebko auf! Im Übrigen gibt es einen neuen „Rosenkavalier“ als einzigen Beitrag zum 150. Geburtstag des Festspielgründers Richard Strauss, erlesen besetzt und von Wiens GMD Franz Welser-Möst dirigiert.

Die Maestri der übrigen Opernproduktionen zählen nicht unbedingt zum erlauchtesten Kreis. Was das betrifft, hat Bayreuth längst die Nase vorn: Dort wirken seit Jahren mit Christian Thielemann, Kirill Petrenko oder Philippe Jordan die meistgesuchten Kapellmeister unserer Zeit.

Ein wirklich taugliches Konzept für Festspiele im 21. Jahrhundert muss aber wohl ohnehin anders aussehen als jenes, das bis zu Karajans Tod exzellent funktioniert hat. Wie, hat bis dato keiner herausgefunden. Die Wundertaten der Ära Mortier entpuppen sich, bei Licht betrachtet, vornehmlich als Gerüchte der grandiosen Propagandamaschinerie dieses jüngst verstorbenen findigen Managers. Den Nachfolgern gelang noch weniger.

Festspielgründer Hofmannsthal hatte einst die „europäische Dimension“ eingefordert. Um sie aus einheimischer Position zu erobern, mochte die Nennung der Namen genügen, die im Zentrum der Auseinandersetzung standen: die Wiener Klassik und die „eingemeindeten“ Meister zwischen Brahms und Richard Strauss, interpretiert von den besten heimischen Kräften unter idealen Umständen. Das war Österreichs Beitrag zur europäischen Selbstfindung, festspielreif.

Die jetzige Übergangsphase wird noch andauern. Der designierte Intendant, Markus Hinterhäuser, der sich an der Seite Mortiers mit der Vermittlung zeitgenössischer Musik einen Namen gemacht hat, tritt erst 2017 an. Er wird das Programmdickicht durchforsten müssen und für die Oper, die wohl das Leuchtfeuer bleiben wird, entsprechenden Zündstoff finden. Angesichts des Angebots auf dem aktuellen Musikmarkt ist er nicht zu beneiden.

Aktivitäten vom zeitgenössischen Musikforum über die Regiewerkstatt bis zum Jugendorchester-Camp gibt es überall. Der Blick aufs Wesentliche wird durch die Kumulierung solcher – in Wahrheit lediglich für Feuilletonisten und Kulturpolitiker attraktiver – Allerweltsinitiativen getrübt. Was, so lautet die Frage, legitimiert heutzutage die Einhebung von Weltspitzenpreisen? Und was davon gibt es nur in Salzburg zu erleben?

Anna Netrebko singt ja schließlich auch an der Met, in München oder an der Wiener Staatsoper ...

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2014)

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