So wird der Krieg gegen den Terror niemals enden

An Elbit Systems Ltd. Hermes 900 UAV rolls on the tarmac during a media presentation at the airbase in the central Swiss town of Emmen
An Elbit Systems Ltd. Hermes 900 UAV rolls on the tarmac during a media presentation at the airbase in the central Swiss town of Emmen(c) REUTERS (PASCAL LAUENER)
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Drohnen, Sonderkommandos, fabrizierte Anschlagspläne: Der Kampf gegen den Jihadismus vergrößert das Übel, das er zu beseitigen versucht.

Manche Jubiläen vergehen von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, obwohl sie größte Aufmerksamkeit erforderten. Diesen Juni zum Beispiel war es zehn Jahre her, dass der US-Auslandsgeheimdienst CIA damit begonnen hat, bewaffnete Drohnen in Pakistan einzusetzen. In 372 belegten Einsätzen haben unbemannte Flugkörper seither rund 2800 Menschen in Pakistan getötet, schrieb Micah Zenko vom Council on Foreign Relations neulich in einem Artikel für das Magazin „Foreign Policy“.

Wie wirksam sind die Drohnen im Krieg gegen den Terrorismus? Das kann niemand beantworten. Zwar feiert die CIA jede Ausschaltung eines Jihadisten als wesentlichen Schlag gegen den Terror – und zwar nicht nur in Pakistan, sondern auch in Somalia, im Jemen, in Afghanistan und bald wohl wieder im Irak. Doch wenn der ferngesteuerte Luftkrieg so erfolgreich ist, dass Präsident Obama ihn auf immer mehr Länder auszuweiten gedenkt: Wieso ist dann der Krieg gegen den Terror noch nicht gewonnen?


In seinem zweiten Jahrzehnt ist das Unterfangen, den globalen islamistischen Terrorismus zu besiegen, in seinen eigenen Widersprüchen gefangen. Die Mittel der von den USA geführten westlichen Geheimdienste und Armeen wenden sich gegen sie selbst. Der Drohnenkrieg erzeugt jedes Mal, wenn statt eines Terroristenlagers eine Hochzeitsgesellschaft pulverisiert wird, Propagandamaterial für die Jihadisten, um zornige, haltlose und formbare Jugendliche anzuwerben.

Die Bundespolizei FBI wiederum schafft sich mit verdeckten Operationen gegen Muslime ihre eigenen Terroristen, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vergangene Woche offenbart hat. Statt echte Gewalttäter im Auge zu behalten (die Tsarnaev-Brüder zum Beispiel, die 2013 beim Bostoner Marathon mordeten), versorgte das FBI verwirrte Jugendliche und Kleinkriminelle mit Attentatsplänen, Geld und gefälschten Waffen. Wenn dann vor Kameras die Handschellen schnappten, war für das FBI das Ziel erreicht: Man hat dem Volk vorgeführt, wie erfolgreich der Krieg gegen den Terrorismus geführt wird.

Wirksam ist diese Politik der Symbole nur in einer Hinsicht: Sie rechtfertigt das enorme Anschwellen der Budgets der Geheimdienste, Spezialkräfte und Sonderbehörden seit den Anschlägen vom 11.September 2001. Das Special Operations Command (jener Teil der US-Streitkräfte, zu dem das Sonderkommando gehört, das den al-Qaida-Gründer Osama bin Laden getötet hat) umfasst heute mehr als 66.000 Soldaten und Zivilbedienstete – doppelt so viele wie 2001. Das US-Geheimdienstbudget wiederum wuchs in den Jahren 2005 bis 2013 von 44 auf 52,6 Milliarden Dollar.


Somit haben Geheimdienste und Militärs ein Interesse daran, die Angst der Bürger vor dem nächsten Anschlag lebendig zu halten. Der Krieg gegen den Terrorismus hat Ämter geschaffen, bürokratische Macht zugeteilt und Karrieren ermöglicht (die man sich als „Sicherheitsberater“ nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst noch vergolden kann). Die Einsicht des Marinehistorikers Cyril Northcote Parkinson, zu der er vor einem halben Jahrhundert durch das Beispiel der königlichen Kolonialbehörde gelangt ist, gilt auch für heutige Antiterrorbeamte: Bürokratien schaffen ihre eigene Daseinsberechtigung – egal, ob ihr Tun Nutzen hat oder den Schaden vergrößert.

Doch mit rein militärischen Mitteln ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Terroristen leben von der Unterstützung, die sie aus der Gesellschaft erhalten. Verschwindet sie, verschwindet auch der Terrorismus: Das war bei der IRA so, bei der ETA und der RAF. Die Jihadisten sind nur zu besiegen, wenn die muslimischen Gesellschaften in den Antiterrorkampf einbezogen werden, statt per Rasterfahndung pauschal verdächtigt zu werden. Es ist so, wie es Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle als deutscher Geheimdienstmann in der Verfilmung von John Le Carrés Thriller „A Most Wanted Man“ einer CIA-Agentin gegenüber formuliert: „Wollt ihr sie alle in die Luft sprengen? Dann bleibt euch nur ein riesiges Loch. Und ihr müsst wieder von Neuem beginnen.“

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)

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