Bei Integration stören Ignoranten und selbst ernannte Heilsbringer

PK ´INTEGRATIONSBERICHT 2014´
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Die Regierung ist im Sinn der Österreicher und der Zuwanderer gut beraten, für ein funktionierendes Zusammenleben mühsam Lösungen zu suchen.

Dicke Expertenberichte werden selten zu Bestsellern. Sie sind aber auch nicht bloß eine Beschäftigungstherapie für ein paar spintisierende Wissenschaftler. Der Beweis dafür wird mit der Arbeit der Fachleute zur Integration geliefert. Damit wird nicht nur eine profunde Bestandsaufnahme erbracht. Die Experten legen gleichzeitig zu Recht ihre Finger auf jene Schwachstellen, die im Sinn der Österreicher wie der Zuwanderer beseitigt werden müssten. Jetzt gilt es vor allem aufzupassen, dass dieser Bericht nicht als Instrument selbst ernannter großer Heilsbringer bei einem besonders heiklen Thema missbraucht wird, in der Hoffnung, daraus politisch Kapital zu schlagen.

Das gilt für die FPÖ, die unter dem Deckmantel „Österreich zuerst“ mit einem Antiausländervolksbegehren einen neuen Keil hineintreiben will. Das gilt aber auch für die Regierung und die Stadt Wien, die über Jahre alle Probleme, mit denen das Land durch die Zuwanderung in Schulen oder bei der Lehre konfrontiert war, ignoriert und den Eindruck vermittelt hat, durch Wegschauen würden sich Schwierigkeiten einfach in Luft auflösen.


Auf der Habenseite ist bei aller Skepsis gegenüber solchen Daten zu verbuchen: Es wird grundsätzlich eine Verbesserung des Integrationsklimas festgestellt. Es wird offenbar so empfunden, dass das Zusammenleben zwar beileibe nicht reibungsfrei abläuft, dass aber Bemühungen um Verbesserungen verstärkt werden.

Das ist ein Punkt, bei dem SPÖ und ÖVP ein Scherflein beigetragen haben. Indem die beiden Regierungsparteien nämlich in der vergangenen Legislaturperiode Ratschlägen gefolgt sind und ein eigenes Staatssekretariat für Integration eingerichtet haben. Klar, ein Regierungsposten allein ändert noch gar nichts. Aber damit wurde zweierlei signalisiert: Erstens, dass Handlungsbedarf besteht und daher ein Staatssekretär mehr Existenzberechtigung hat als etwa für Sport. Zweitens, dass die Bevölkerung damit das Gefühl hat, es gibt eine Anlaufstelle für ihre Sorgen.

Das ist ad personam auch ein Verdienst des besonnenen Sebastian Kurz, auch wenn dieser um unangenehmere Fragen wie zur Unterbringung von Asylwerbern einen Bogen gemacht hat. Kurz hat jedoch beispielsweise mit den Schulbesuchen von (eingebürgerten) prominenten und erfolgreichen Migranten aufmerksam gemacht, dass diese (nicht nur für Junge) Vorbild sein können. Er hat auch klargemacht, dass Deutsch für fremdsprachige Kinder vor dem Schuleintritt eine wichtige Voraussetzung ist, und zusätzliche Millionen zur Unterstützung bereitgestellt werden müssen.


Auf der Sollseite ist zu verbuchen, dass notwendige Änderungen zwar inzwischen von der Regierung erkannt wurden, aber die Umsetzung erst in Ansätzen in Angriff genommen wurde. Der „Turbo“, mit dem sich Integrationsminister Kurz nun unterwegs sieht, stottert noch ordentlich. Beispiel: die im Bericht empfohlenen Förderkurse für Kinder, die nicht Deutsch können. Es wäre gescheiter gewesen, da Nägel mit Köpfen zu machen und genügend Lehrer bereitzustellen, statt die Kräfte bei SPÖ und ÖVP ständig für bildungspolitisches Schattenboxen wie um die Gesamtschule zu vergeuden; und nicht die Hauptschule im städtischen Bereich zur Sackgasse für Migrantenkinder verkommen zu lassen.

Jene im Unterrichtsministerium, die das unterlassen (haben), machen sich mitschuldig daran, dass österreichische Eltern die bestmögliche Ausbildung ihrer Kinder vermissen. Sie sind zugleich Helfershelfer von FPÖ-Chef Strache, der mit simplen Botschaften Unzufriedene hinter sich schart.

Versäumnisse gibt es auch auf dem Arbeitsmarkt. Da lässt sich Österreich zwar die Uni-Ausbildung von Ausländern einiges kosten und danach tausende qualifizierte Ausländer jedes Jahr ziehen. Rentabilität schaut anders aus.

Ja, Schwächen auszumerzen ist mühsam. Gelungene Integration lässt sich nicht prompt in Geld umrechnen. Populisten mögen kurzfristig parteipolitisch Kapital aus Desintegration schlagen. Auf Sicht gesehen macht sich der beschwerlichere Weg in Richtung funktionierendes Zusammenleben bezahlt. Volkswirtschaftlich – und auch politisch.

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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