Die wahren Geier vom Rio de la Plata

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Argentinien wird vordergründig von „Geierfonds" in den Ruin getrieben. Haupt-Pleiteursache ist aber eine brachialpopulistische Wirtschaftspolitk.

Nein, dass Argentinien jetzt in die Pleite schlittert, ist keine Sensation: Es ist schon die zweite Staatspleite innerhalb von 13 Jahren und sie hat sich seit langem abgezeichnet. Und sie wird, anders als noch 2001, auf den Finanzmärkten außerhalb des Landes auch keine allzu großen Wellen schlagen. Dazu ist Argentinien unterdessen - nach mehr als zehn Jahren Zwangs-Absenz von den internationalen Kapitalmärkten - zu isoliert und zu unbedeutend geworden. Ein erschreckender Befund für ein Land, das einmal als eines der reichsten der Welt gegolten hatte.

Ebenso erschreckend wie das Faktum, dass Staaten für Anleger insgesamt schon lange keine „sicheren Häfen" mehr sind. Von den knapp 280 staatlichen Zahlungsausfällen der vergangenen 200 Jahre sind 56 allein in den zweieinhalb Jahrzehnten seit dem Mauerfall passiert. Wer Staaten Geld borgt, geht in diesen Zeiten also ein gewaltiges Risiko ein.

Eines, das man aber vermeiden kann. Denn ein Staatsbankrott bricht nicht von heute auf morgen los, sondern hat normalerweise eine lange Geschichte und kündigt sich unübersehbar an. Das wird man in der Analyse berücksichtigen müssen, statt die eigentlichen Ursachen mit ein paar schnell gefundenen Sündenbocktheorien zuzudecken.

Letzteres wird nämlich gerade ausgiebig praktiziert: Letztklassige „Geierfonds" hätten Argentinien mit Hilfe eines wild gewordenen US-Richters zugrunde gerichtet, hört und liest man. Dass die Grundlage dafür die brachialpopulistische und wirtschaftspolitisch völlig jenseitige Politik der in Argentinien regierenden Kirchners geboten hat, kommt weniger durch.

Sicher: „Geierfonds", die Anleihen billig auf dem Sekundärmarkt aufkaufen, dann versuchen, mit Hilfe internationaler Gerichte den vollen Nominalwert durchzukämpfen und damit kurzfristig Millairdenprofite zu machen, sind keine ausgeprägten Sympathieträger. Der Wunsch, dass ihnen das moralisch unsaubere Handwerk gelegt wird, ist verständlich. Auch hierzulande: Österreichische Steuerzahler werden in Sachen Hypo Alpe Adria ja auch einige Milliarden an „Geier" überweisen, die sich billig mit HAA-Anleihen eingedeckt haben - und jetzt (diesfalls wohl wegen der Schwäche und Konzeptlosigkeit der drei jüngsten heimischen Finanzminister) den vollen Spekulationsgewinn überwiesen bekommen.

Aber die Fonds machen nichts Ungesetzliches. Sie wollen ihr (in dem Fall freilich leicht verdientes) Geld und berufen sich dabei auf Verträge, die die Regierung in Buenos Aires abgeschlossen und damit wohl auch akzeptiert hat. Und dass ein US-Richter nach US-Recht entscheidet, wenn in den von der Regierung in Buenos Aires unterzeichneten Verträgen für den Streitfall der Gerichtsstand New York festgeschrieben wird, ist ja auch nichts, worüber man sich jetzt groß wundern sollte.

Anders herum: Wer fremdes Geld benötigt, muss wohl oder übel nach den Regeln der Geldgeber spielen. Das ist jedem Bankkunden klar, so mancher Regierung, die sich groß im Ausland verschuldet, aber offenbar nicht.
Nachdem die jetzige Pleite (die ja genau genommen erst ein partieller Zahlungsausfall ist, der sich aber noch zur Großpleite entwickeln könnte) eine direkte Folge der Probleme von 2001 ist, hätte die argentinische Regierung wirklich alle Zeit der Welt gehabt, eine saubere Gesamtlösung anzustreben. Stattdessen hat man das Problem nach einer Teileinigung mit den Gläubigern vor sich hergeschoben und als innenpolitische Spielmasse benutzt.

Regierungen, die innenpolitisch schwimmen, lieben ja äußere Feinde. Für Buenos Aires haben sich - neben der Falklandfrage, in der die Kirchner-Regierung ja gerade einen völlig sinnlosen, nicht gewinnbaren Konflikt mit Großbritannien austrägt - dafür die gierigen US-Fonds angeboten. Eine Strategie, die daneben gegangen ist.
Den unmittelbaren Todesstoß werden Argentinien jetzt zwar ein paar „Geierfonds" versetzen, auf dem Gewissen hat das Land aber eine korrupte politische Elite, die einen einstigen Vorzeigestaat geradezu lehrbuchmäßig an die Wand gefahren hat.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Printausgabe vom 1.8.2014)

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