Land der Großen Koalition

PARLAMENT
PARLAMENTAPA
  • Drucken

Dieser Tage ist viel vom Österreich-Bild in der Welt die Rede. Dass wir uns "tolerant und weltoffen präsentieren" sollen. Oder, wie die Regierung meint, als Brückenbauer. Klingt alles ziemlich verkrampft.

Bauen Sie gern Brücken? Vermitteln Sie gern zwischen Streitparteien? Spielen Sie regelmäßig den sozialen Blauhelm, wenn es am Arbeitsplatz oder – gefährlicher – zu Hause Konflikte gibt? Mögen Sie die neutrale Rolle? Das Verbindliche? Die Harmonie? Nein? Dann sind sie leider kein idealer Österreicher.

Denn das Bild eines Landes der Brückenbauer soll zur österreichischen Marke werden. So will es ein berühmter Markenexperte nach einem langen kreativen Prozess, so wünschen es mehrere Ministerien, die ihm den schönen Auftrag zum Nation Branding gegeben haben. Derlei Prozesse starten viele Nationen, manche professionell, manche weniger. Manche versuchen, aus der Image-Not eine Tugend zu machen, wie etwa Indien: Die Botschaften verschickten dieser Tage einen prächtigen, ein wenig altertümlich wirkenden Bildband mit Texten über indische Frauen und darüber, wie stark ihre Position in der indischen Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur nicht sei. Im Begleittext der Botschaft steht kein Wort über den vermutlichen Anlass dieser wundersamen Buchverteilung: die zahlreichen Fälle massiver sexueller Gewalt gegen indische Frauen, über die Medien weltweit berichteten.

Häme ist an dieser Stelle unangebracht, Österreich kennt Zeiten, in denen es mit – freilich anderen und mitunter weit harmloseren – Themen und Fällen in Verbindung gebracht wurde: egal, ob politisch mit Jörg Haider und Kurt Waldheim, sportlich mit Niki Lauda und Red Bull, kriminell mit der Natascha-Kampusch-Entführung und Josef Fritzl, kulinarisch mit Weinskandal und Mozartkugel sowie touristisch mit Bergen, Burgen und Hüttengemütlichkeit. Österreicher assoziieren sich selbst meist anders. Natürlich würden sich viele gern als Bewohner eines fortschrittlichen, sauberen, wirtschafts- und leistungsfreundlichen Landes verstehen. Doch das ist leider schon die Schweiz.

Spätestens seit dem Sieg beim Songcontest und dem Zuschlag für die – und noch ein Klischee – „Musikhauptstadt“ mit ihrem bevorstehenden Wahlkampf heißt es immer, Österreich beziehungsweise Wien solle sich „als weltoffenes und tolerantes Land – Stadt– präsentieren“. Diese häufig verwendete Wortwahl klingt ein wenig so, als solle da eine Rolle gespielt werden. Kein Mensch und kein Land „präsentiert sich weltoffen und tolerant“, sondern er, sie, es sind es einfach, und jeder spürt das. Aber vielleicht denken die Songcontest-Euphoriker – ebenso wie die Pessimisten – eigentlich ohnehin weniger an das Außenbild Österreich, sondern an die Innensicht und daran, wie man das Land gesellschaftlich verändern möchte. Ein Spiel über die Auslandsbande also. Übrigens, die größte Sorge der vielen ernannten und selbst ernannten Songcontest-Organisatoren ist: Die FPÖ könnte im Vorfeld der Wien-Wahl ausländerfeindliche Plakate affichieren lassen, und die tausenden Journalisten würden darüber dann schockiert und/oder begeistert berichten. Wer die FPÖ und ihr Gegner kennt, weiß, dass dies wie eine Aufforderung klingt.

Vielleicht hat der Markenfachmann Simon Anholt im Auftrag der Republik auch etwas ganz anderes gemacht: Er hat die heimische Politik genau beobachtet, hat die immerwährende Koalitionsregierung vor Augen gehabt, die Haupt-Regierung der Sozialpartner verwundert entdeckt (und die seltene internationale Anerkennung für den ein oder anderen UNO-Einsatz Österreichs registriert): Aus all dem formt er das Bild des österreichischen Brückenbauers, das auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen soll. Leider hat er nicht mehr gemerkt, dass am (innen-)politischen Teil dieser Österreich-Darstellung das Land gerade fast erstickt. Dank des Tiefschlafs ist der Schmerz erträglich. Und er konnte auch nicht wissen, dass Werner Faymann und Michael Spindelegger sich nicht einmal mehr als Brückenbauer eignen.

Wir skizzieren nichtsdestoweniger diese Woche Ideen und Vorschläge, wie wir das Bild Österreichs in der Welt verbessern oder schärfen können. Und was wir in Österreich dafür tun müssten.



rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.